Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669); Landschaft mit Straße und Wassergraben, um 1652; Kaltnadel, 72 x 210 mm; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669); Landschaft mit Straße und Wassergraben, um 1652; Kaltnadel, 72 x 210 mm; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

Weltberühmt ist der niederländische Künstler Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606-1669) als Porträt- und Historienmaler. Weniger im Fokus steht seine Leidenschaft für Landschaftsdarstellungen. Ab Mittwoch, 28. August 2013, gibt die Ausstellung „Rembrandt. Landschaftsradierungen aus dem Städel Museum“ einen faszinierenden Einblick in dieses spannende Kapitel seines Schaffens. Besonders intensiv widmete er sich diesem Thema in Zeichnungen und Druckgrafiken. Denn Rembrandt war nicht nur Maler, er war auch der bedeutendste Druckgrafiker seiner Zeit. Die Präsentation in der Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung zeigt vom 28. August bis 24. November 2013 insgesamt 62 Werke – allesamt aus dem Bestand des Städel – darunter 46 Radierungen Rembrandts. Die dort gezeigten reinen Landschaftsradierungen des Künstlers werden durch Selbstbildnisse und frühe Radierungen, in denen Landschaft eine wichtige Rolle spielt, wie in den Darstellungen des „Heilige Hieronymus in der Einöde“, die „Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten“ oder den arkadischen Schäferidyllen ergänzt. Rembrandts Arbeiten werden dabei ins Verhältnis zu seinen Vorläufern und Zeitgenossen auf dem Gebiet der druckgrafischen Landschaft gestellt. So sind ebenfalls Kupferstiche, Holzschnitte und Radierungen von Künstlern wie Pieter Brueghel dem Älteren (um 1525–1569), Domenico Campagnola (um 1500–1564), Hendrick Goltzius (1558–1616), Hercules Seghers (um 1590–um 1638) oder Claude Lorrain (1600–1682) zu sehen.

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669); Landschaft mit Boot und einer Brücke, 1650; Radierung und Kaltnadel, 83 x 108 mm; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669); Landschaft mit Boot und einer Brücke, 1650; Radierung und Kaltnadel, 83 x 108 mm; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

Rembrandt unterwegs in der Umgebung

Rembrandts Landschaftsradierungen entstanden in zwei relativ kurzen Schaffensphasen; die erste Gruppe zwischen 1640 und 1645, eine zweite zwischen 1648 und 1652. Die Jahre um 1640 waren schicksalhafte Jahre für Rembrandt. Zwar erwarb er ein repräsentatives Haus, doch zugleich erkrankte seine erste Frau Saskia und starb. In dieser Zeit unternahm Rembrandt zahlreiche Spaziergänge in die unmittelbare Umgebung der Stadt. Seine Eindrücke hielt er unterwegs in gezeichneten Skizzen fest, die er später in seinem Atelier für die Konzeption seiner Radierungen verwendete. Zeichnungen und Druckgrafiken, als persönliche und intime Medien, schienen für ihn ein passendes Ausdrucksmittel zu sein, um seine Impressionen zu fixieren.

Die radierten Landschaften sind dabei nicht zwingend wirklichkeitsgetreue Abbildungen, vielmehr verbirgt sich hinter den Radierungen genaue Kalkulation und eigenständige Komposition. So lassen sich zwar einige Motive lokalisieren („Ansicht von Amsterdam“, um 1640/41), doch bei anderen kombiniert Rembrandt frei und lässt bestimmte Orte nur erahnen. In seinen späteren Landschaften ergänzt er fantastische, erfundene oder von Landschaftsgrafiken anderer Künstler beeinflusste Elemente („Landschaft mit Boot und Brücke“, 1650). Seine „typisch niederländischen“ Landschaften gehen vom Gewöhnlichen und Alltäglichen aus – von Windmühlen oder Booten an Brücken. Sein vorrangiges Interesse gilt aber künstlerischen Fragestellungen, wie der Komposition, der Suggestion von Weite und Tiefe, der Abbildung von Texturen. Die Grundthemen sind die Wiedergabe von Raum, Licht und Atmosphäre.

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669); Die Drei Bäume, 1643; Radierung, Kaltnadel und Kupferstich; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669); Die Drei Bäume, 1643; Radierung, Kaltnadel und Kupferstich; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

Schöpfung als Ganzes

Jede Landschaft ist grundsätzlich ein Ausschnitt der Wirklichkeit. In Rembrandts Werken aber scheint immer die Schöpfung als Ganzes zu sprechen. Exemplarisch mag dafür die vielleicht bekannteste Landschaftsradierung Rembrandts stehen, die „Drei Bäume“ von 1643. Betrachten wir das Bild genauer, lässt sich, winzig klein, ein Zeichner in der Natur entdecken, der sich dem grandiosen Schauspiel des Lichts zuwendet.

Zu einem der bedeutendsten Druckgrafikern seiner Zeit wird Rembrandt unter anderem auch aufgrund der stetigen Weiterentwicklung seines Umgangs mit der druckgrafischen Technik. Mit Hilfe von verschiedenen grafischen Strategien – wie sich überlagernden Schraffuren oder die Verwendung von „Plattenton“ und Kaltnadel-Akzenten – produziert Rembrandt Landschaftsradierungen, die feine Zwischentöne erzeugen und eine innere Lebendigkeit spürbar werden lassen.

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669); Landschaft mit Bäumen, Bauernhäusern und einem Turm, um 1651; Radierung und Kaltnadel, 123 x 319 mm; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669); Landschaft mit Bäumen, Bauernhäusern und einem Turm, um 1651; Radierung und Kaltnadel, 123 x 319 mm; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main

Rembrandts Raritäten

Rembrandts Radierungen sind voller besonderer technischer und künstlerischer Einfälle und haben die Kunst bis in die Moderne hinein beeinflusst. Die Landschaftsradierungen zählen zu den seltenen Druckgrafiken des Künstlers. Bis auf ein einziges Werk ist diese Werkgruppe in der Sammlung des Städel Museums vollständig vertreten. Das Verhältnis des Künstlers zu seinen Landschaftsradierungen scheint außergewöhnlich und persönlich gewesen zu sein, denn er vermarktete sie nur zurückhaltend und stellte verhältnismäßig wenige Abzüge her. Die Ausstellung im Städel Museum bietet daher die seltene Gelegenheit, diese raren Arbeiten zu entdecken.