Unser Buch des Monats Dezember: Bernd Roeck, Gelehrte Künstler. Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance über Kunst.

Unser Buch des Monats Dezember: Bernd Roeck, Gelehrte Künstler. Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance über Kunst.

Der große deutsche Renaissancekünstler Albrecht Dürer, dessen Werk im Städel Museum noch bis zum 2. Februar 2014 zu sehen ist, wurde im Jahre 1471 als Migrantenkind in Nürnberg geboren. Sein gleichnamiger Vater war aus Ungarn nach Nürnberg gekommen, war hier sesshaft und als Goldschmied erfolgreich geworden. Der ehrgeizige, künstlerisch hochbegabte Sohn verfolgte das Ziel des gesellschaftlichen Aufstiegs noch konsequenter als der Vater – „Aufstieg durch Bildung“ hieß seine lebenslang mit größter Konsequenz verfolgte Strategie. Auf diese Weise gelang es ihm erfolgreich, den engen sozialen Grenzen, die die damalige Gesellschaft einem Handwerkersohn setzte, zu entkommen und nicht nur als überaus erfolgreicher Künstler, sondern ebenso als Wissenschaftler und Gelehrter anerkannt zu werden.

Verwissenschaftlichung von Kunst im Dienst des sozialen Aufstiegs

Dürer stand mit dieser Strategie nicht allein, doch kaum ein anderer deutscher Künstler seiner Zeit hat sie so konsequent und erfolgreich umgesetzt. Wie der in Zürich lehrende Historiker Bernd Roeck in seinem neuesten Buch „Gelehrte Künstler“ prägnant anhand von Zitaten der Künstler selbst schildert, begann dieser Prozess der Verwissenschaftlichung von Kunst im Dienst des sozialen Aufstiegs der Künstler in Italien schon im frühen 15. Jahrhundert mit kennzeichnenderweise auch literarisch tätigen Malern und Bildhauern wie Cennino Cennini, Lorenzo Ghiberti oder Leon Battista Alberti, die ihre praktische künstlerische Tätigkeit nun auch theoretisch zu hinterfragen bzw. zu überhöhen begannen. Durch die Erfindung des Buchdrucks im späteren 15. Jahrhundert sollten ihre Schriften eine enorme Verbreitung und damit Wirkungsmacht entfalten.

Dürer findet seine Vorbilder südlich der Alpen

Für Dürers Begegnung mit dieser für ihn neuen, aber höchst faszinierenden Vorstellungswelt sollten seine beiden Reisen nach Venedig 1494/95 und 1505-07 entscheidend sein. Seine lebenslange Beschäftigung mit Kunsttheorie und Proportionslehre, die in einer Reihe von gedruckten Lehrbüchern ihren Ausdruck gefunden hat, markiert den Beginn der nordeuropäischen Adaption der Vorstellung des gelehrten Künstlers. Angesichts der überragenden Bedeutung, die Dürer dabei zukommt, überrascht es nicht, dass Albrecht Dürer neben Leonardo und Raffael die zentrale Gestalt in Bernd Roecks Kapitel über die Künstler der Hochrenaissance ist. Nicht zuletzt Dürer ist es zu verdanken, dass die nachfolgenden Künstlergenerationen auch im Norden Anschluss an die von Italien ausgehende Diskussion um die soziale Aufwertung der Kunst und der sie ausführenden Künstler gefunden hat. Wie stark das Vorbild Italiens dabei gewirkt hat, wird plastisch an Dürers berühmter brieflicher Klage deutlich, die er 1507 aus Venedig an seinen Humanistenfreund Willibald Pirckheimer richtete: Hier – in Venedig – sei er als Künstler ein geachteter Herr, der mit Gelehrten und Adligen auf Augenhöhe verkehre, zuhause in Nürnberg werde er wieder als Schmarotzer betrachtet werden! Prägnanter kann man den Wandel der Wahrnehmung des Künstlers – übrigens auch der Selbstwahrnehmung des Künstlers – kaum auf den Punkt bringen.

Bernd Roeck, Gelehrte Künstler. Maler, Bildhauer und Architekten der Renaissance über Kunst
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2013
Gebunden mit Schildchen und Prägung, 256 Seiten mit vielen, teils farbigen Abbildungen
ISBN 978 3 8031 3645 9
24,90 Euro
erhältlich im Museumsshop