Ausstellungsansicht „Schönheit und Revolution. Klassizismus 1770–1820“: Foto: Norbert Miguletz

Frau Bückling, Frau Mongi-Vollmer, Schönheit und Revolution –  wie passt dieses ungleiche Paar eigentlich zusammen? Ist Revolution nicht immer auch mit Brutalität verbunden? Und was hat dort die Schönheit zu suchen?

Maraike Bückling: „Auch wenn wir den zweiten Teil der Schau mit dem „Tod des Marat“ – eine der berühmtesten Darstellungen der Ereignisse der Französischen Revolution – beginnen,  geht es uns bei der „Revolution“ im Titel der Ausstellung primär um eine Revolution innerhalb der Kunst. Genau genommen um die Wiedergabe der in Freiheit entstandenen, idealschönen Antiken anstelle einer durch Hof und Kirche korrumpierten Bildtradition. Diese Abgrenzung und Orientierung galt den Künstlern damals als revolutionär. Und ganz eng mit dieser revolutionären Haltung ist die Schönheit als Ideal verbunden.“

Eva Mongi-Vollmer: „Aber natürlich war der Klassizismus der zeitlich und inhaltlich zur Französischen Revolution passende Stil, in dem heroische Vaterlandsliebe und die Opferung egoistischer Ziele gefeiert wurden.“

Kuratorin Eva Mongi-Vollmer in der Ausstellung. Foto: Martin Joppen

Die große Überblicksausstellung wurde von Ihnen beiden gemeinsam kuratiert. Es heißt ja, „viele Köche verderben den Brei“. Wie sind Sie vorgegangen, dass dies bei dieser Schau nicht passiert?

Eva Mongi- Vollmer:  „Zwischen „vielen Köchen“ und „zwei Köchen“ ist etwas Spielraum. Aber davon abgesehen wurde jede Entscheidung intern besprochen und getroffen, so dass stets Einigkeit bestand. Insofern sprechen wir eigentlich „mit einer Stimme“ oder kochen mit „einem Löffel“ – um bei geflügelten Worten zu bleiben.“

Maraike Bückling: „Es war dennoch ein spannender Prozess. Die Ausstellung zeichnet sich übrigens auch dadurch aus, dass wir mit zwei unterschiedlichen Blickwinkeln an die Schau herangegangen sind: Eva Mongi-Vollmer als Expertin für Malerei und ich als Expertin für Skulpturen.“

Während der Eröffnung führt Kuratorin Maraike Bückling in die Ausstellung ein. Foto: Martin Joppen

Manch einer denkt bei dem Wort Klassizismus als erstes an weiße Marmorstatuen. Wie sind Sie diesem Vorurteil in der Schau begegnet?

Maraike Bückling: „Dass man an weiße Marmorskulpturen denkt, ist kein Vorurteil, sondern völlig gerechtfertigt. Wichtig ist jedoch, dass wir in der Ausstellung die Lebendigkeit des Klassizismus zeigen wollen und zu dieser Lebendigkeit gehören natürlich auch weiße Statuen. Daneben sind in der Schau jedoch auch Zeichnungen, Vasen, Wandreliefs oder Gemälde zu sehen, die das vielschichtige Spektrum dieser Stilrichtung verdeutlichen.“

Ausstellungsansicht „Schönheit und Revolution. Klassizismus 1770-1820“: Die beiden Heben im Vergleich. Foto: Norbert Miguletz

Trotz der fast zweijährigen Vorbereitungen für die Ausstellung: Was sind für Sie die größten Überraschungen der Präsentation?

Eva Mongi- Vollmer: „Überrascht haben uns letztendlich einige der Blickachsen in der Ausstellung, die – obwohl wir sie nicht extra geplant haben – ganz wunderbar funktionieren und dennoch erst beim Aufbau der Schau deutlich wurden.“

Maraike Bückling: Interessant ist hier zum Beispiel das Zusammenspiel zweier Skulpturen. Der „Apoll vom Belvedere“, ein Gipsabguss der berühmten antiken Marmorskulptur, scheint mit seinem linken Arm auf die so ungewöhnliche Skulptur „Der fallende Titan“ des britischen Bildhauers Thomas Banks hinzuweisen.

Eines der Ausstellungshighlights für die Kuratorinnen: Die Blickachsen, die die Werke miteinander in Beziehung setzen. Foto: Norbert Miguletz

Und zum Schluss sei auch diese Frage erlaubt: Was ist Ihr persönliches Ausstellungshighlight der Schau?

Eva Mongi-Vollmer: „Das ist eine schwierige Frage, an Werken gäbe es wirklich zu viele zu nennen. Unser Highlight in der Ausstellung sind deswegen die Blickachsen, die den Besuchern ganz viele neue Interpretationsräume und Vergleichsmöglichkeiten der Arbeiten eröffnen.“