Fünf Fragen an
Martin Sonnabend – über „Rembrandt. Landschaftsradierungen aus dem Städel Museum“
Die Graphische Sammlung bietet bis zum 24. November 2013 die Möglichkeit, eine weniger bekannte Seite des niederländischen Barockkünstlers Rembrandt Harmensz. van Rijn zu entdecken. In der Ausstellung „Rembrandt. Landschaftsradierungen aus dem Städel Museum“ werden seltene Druckgrafiken des Künstlers präsentiert. Wir haben dem Kurator der Schau fünf Fragen gestellt:
Martin Sonnabend | 30.08.2013
Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669) ist als Porträt- und Historienmaler in der ganzen Welt berühmt und geschätzt. Die aktuelle Ausstellung im Städel widmet sich hingegen seinen weniger bekannten Landschaftsradierungen. Was zeichnet Rembrandt als Druckgrafiker aus?
Die Druckgrafik, und das heißt in diesem Fall die Radierung, hatte für Rembrandt künstlerisch und ökonomisch den gleichen Stellenwert wie seine Malerei. Er hat fast sein ganzes Leben lang nicht nur gemalt, sondern auch radiert. Druckgrafiken waren einerseits als vervielfältigte Kunstwerke eine wichtige Einnahmequelle, andererseits vermochte Rembrandt der komplexen Technik der Radierung völlig neue künstlerische Qualitäten abzugewinnen, die nicht nur seine Zeitgenossen begeisterten, sondern bis weit in die Moderne – bis zur Gegenwart – bewundert wurden und Einfluss auf die bildende Kunst hatten.
In 2003, also vor zehn Jahren, zeigte die Graphische Sammlung des Städel eine Überblickspräsentation der Radierungen Rembrandts. Dieses Mal haben Sie sich auf die Landschaftsradierungen fokussiert. Was ist das Besondere an ihnen?
Kunstwerke auf Papier sind lichtempfindlich, sie können nicht permanent ausgestellt werden wie Gemälde. Bei den Landschaftsradierungen Rembrandts handelt es sich um einen schönen und nicht alltäglichen Bestand, der hier in der Graphischen Sammlung des Städel Museums aufbewahrt wird, der als Thema interessant ist und dem Publikum einen Eindruck von der Qualität der grafischen Werke im Städel vermittelt. Gleichzeitig knüpft eine solche Schau auch an frühere Ausstellungen an, die sich mit alter Druckgrafik beschäftigt haben, besonders natürlich an die Präsentation von 2003. Während diese einen Überblick über den Bestand geboten hat, geht es jetzt thematisch in die Tiefe. Die Landschaftsradierungen haben einen besonderen Reiz, weil Rembrandt hier in der unmittelbaren Naturbetrachtung und -wiedergabe ein Experimentierfeld fand, auf dem er seine künstlerischen Strategien und Grundhaltungen reflektierte.

Aus der Nähe wird sichtbar, dass sich auf der Anhöhe ein Zeichner mit Hut niedergelassen hat. Er scheint ganz in seine Arbeit vertieft.
Ausschnitt von: Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669); Die drei Bäume, 1643; Radierung, Kaltnadel und Kupferstich. Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main.
In welchem Zusammenhang stehen Rembrandts Landschaftsradierungen mit seinem übrigen Werk?
Rembrandt war eigentlich ein Historien- und Porträtmaler, der radierten Landschaft hat er sich nur im Zeitraum von 1640 bis 1652 gewidmet. In dieser Zeit unternahm er Spaziergänge in der Umgebung von Amsterdam und verarbeitete die Eindrücke, die er in der Natur gesammelt und gezeichnet hatte, im Anschluss zu Radierungen. Er fand offenbar, dass Druckgrafiken besser als Gemälde dazu geeignet waren, dieses Thema wiederzugeben. Ihn interessierte dabei – für die Fülle des Natureindrucks, der ja nicht nur aus den Gegenständen wie Häusern, Bäumen, Menschen und Tieren besteht, sondern auch aus abstrakten Kategorien wie Raum und Licht – eine adäquate grafische „Sprache“ zu finden. Die intensiven Wirkungen, die er in den Landschaftsradierungen entwickelte, hat er dann in anderen, späteren Radierungen einsetzen können.
In Rembrandts Landschaftsradierungen sind zuweilen winzig klein Zeichner und Maler versteckt. Inwiefern sehen wir dort Rembrandt selbst? Verweisen diese Miniaturen vielleicht auf den Entstehungsprozess der Radierungen?
Es gibt eigentlich nur zwei Radierungen, auf denen ein Zeichner in der Landschaft zu finden ist. Sie verweisen in der Tat auf Rembrandts Vorgehensweise, in der Natur Zeichnungen zu machen und diese dann später im Atelier zu Radierungen zu verarbeiten. Wobei er die Zeichnungen als Anregungen nimmt, sie also nicht etwa druckgrafisch kopiert. Die Radierungen sind immer eigene, reflektierte Kompositionen.

Mit winzig kleinen Strichen und Kringeln erzählt Rembrandt, wie Menschen Wäsche zum Bleichen auf dem Feld ausbreiten. Ausschnitt von: Rembrandt Harmensz. van Rijn (1606–1669); Das Landgut des Goldwägers, 1651; Radierung und Kaltnadel, 120 x 319 mm. Foto: Städel Museum, Frankfurt am Main.
Aus der Ferne betrachtet ist Rembrandts Spiel mit Licht beeindruckend. Aus der Nähe lässt sich ein großer Detailreichtum entdecken. Was ist Ihr persönliches Lieblingsdetail?
Da gibt es zwei Kandidaten, den winzigen Zeichner auf der Anhöhe in den „Drei Bäumen“, der so klein und doch optimistisch vor der unermesslichen Schöpfung sitzt, und die kleinen Menschen, die in „Das Feld des Goldwägers“ in der Ferne Wäsche zum Bleichen auf dem Feld ausbreiten. Sie sind nur mit winzigen Strichen und Kringeln angedeutet und doch kann man erkennen, womit sie beschäftigt sind.
Dr. Martin Sonnabend ist Leiter der Graphischen Sammlung für Zeichnungen und Druckgrafiken bis 1750 am Städel Museum. Er hat sich bereits 2003, im Rahmen der Ausstellung Rembrandt. Die Radierungen im Städel, intensiv mit Rembrandt beschäftigt.
Die Fragen stellten Jannikhe Möller und Vanessa Tron.
Die Ausstellung Rembrandt. Landschaftsradierungen aus dem Städel Museum ist noch bis zum 24. November 2013 in der Graphischen Sammlung des Städel Museums zu sehen.
Kommentare (2)
Herzlichen Dank für den spannenden Artikel. Waren heute die Austellung ansehen und es hat uns sehr gefallen. Die Führung um 11:00Uhr hat geholfen noch etwas genauer hinzusehen. Wir haben uns ausgiebig Zeit genommen die Rembrandt Radierungen wieder und wieder anzuschauen. Jedesmal haben wir wieder weitere Details entdeckt. Einfach faszinierend.
Liebe Frau Schaal,
wir danken für den freundlichen Kommentar und freuen uns, dass Sie in der Ausstellung so viel entdecken konnten.
Mit vielen Grüßen aus dem Städel
Silke Janßen