Kuratorische Einblicke
Vom Entstehen einer Ausstellung
Was heißt Gedächtnis- und Erinnerungskultur? Diese Frage stellen sich jeden Donnerstagabend die Teilnehmer der Studiengalerie 1.357. Die Studiengruppe der Goethe-Universität Frankfurt am Main, die seit 2009 in Kooperation mit dem Städel existiert und kürzlich für ihr Konzept mit einem Preis ausgezeichnet wurde, stellt vier Mal im Jahr zeitgenössische Videokunst in den Räumen des IG-Farben-Gebäudes aus. In diesem Blogbeitrag erzählen zwei Studentinnen von ihrer Teilnahme am Projekt Studiengalerie und berichten von den Herausforderungen und Schwierigkeiten bei der Vorbereitung einer Ausstellung.
Samira Idrisu und Johanna Knoop | 23.04.2013
Seit einem Semester besuchen wir, zwei Studentinnen der Kunstgeschichte, die universitäre Veranstaltung „Studiengalerie 1.357; Studiengruppe Erinnerungskultur, Geschichtspolitik und Bildgebrauch“. Auf dem üblichen Wege – durch einen Blick in das Vorlesungsverzeichnis – wurden wir auf die Veranstaltung aufmerksam. Dabei waren besonders die Begriffe „zeitgenössisch“ und „Videokunst“ die Zauberworte, die es benötigte, um sich zum regelmäßigen Treffen am Donnerstagabend für die Veranstaltung einzutragen.
Beim Besuch der ersten Veranstaltung waren wir erstaunt, wie viele Studierende in den kleinen, mit Holz verkleideten Raum passten. Und auch die Anwesenheit zweier Juroren des Hessischen Hochschulpreises schüchterte uns etwas ein. Schnell wurde deutlich, dass sich diese Veranstaltung von den üblichen Seminarangeboten abhebt! Mit der Zeit relativierte sich jedoch die Anzahl der Studenten auf ein Normalmaß bedingt durch die organisatorische Ausrichtung des Seminars. Denn in einem Semester werden jeweils zwei Filme ausgesucht und vorbereitet, die dann jedoch erst im kommenden Semester eröffnet werden. Daher fanden sich zu Beginn des Seminars im Oktober sowohl die Studierenden der vergangenen Veranstaltung als auch wir neuen Seminarteilnehmer. Nun, im neuen Semester, starten wir gemeinsam mit der nächsten Studierendengruppe.

Simon Starling; Project for a Masquerade (Hiroshima), 2010; 16mm-Film transferiert auf HD; 25:54 Minuten; Courtesy Simon Starling und neugerriemschneider, Berlin
Objektive und subjektive Kriterien
Einen großen Teil des Seminars verbrachten wir zunächst damit unterschiedlichste Filme zeitgenössischer Künstler zu sichten und aus dieser Vielzahl zwei passende, natürlich auch anregende Arbeiten auszuwählen. Die Entscheidung fiel uns dieses Jahr sehr schwer, denn wie lässt sich ein Film vor allem nach objektiven und nicht nach subjektiven Kriterien betrachten und bewerten? Daneben gibt es bestimmte Rahmenbedingungen, die unsere Wahl eingrenzten, da manche Filme zu lang für die Vorführungen waren oder in unseren Räumlichkeiten der Studiengalerie 1.375 nicht umsetzbar sind. Das wichtigste Kriterium unserer Auswahl blieb jedoch, ob und auf welche Art und Weise, sich der Film inhaltlich mit dem Thema der Erinnerungskultur beschäftigt. Wir diskutierten und analysierten die Inhalte der Filme ausgiebig hinsichtlich dieser Fragestellung. Schlussendlich fiel in diesem Semester unsere Wahl auf die beiden Filme „Project for a Masquerade (Hiroshima)“ von Simon Starling, der unter anderem als Professor an der Städel-Schule tätig ist, und „Cabaret Crusades: The Horror Show File” von Documenta 13-Teilnehmer Wael Shawky. Die beiden Filme werden am Mittwoch, 24. April (Shawky) und am Mittwoch, 12. Juni (Starling) im Raum 1.357 des IG-Farben-Hauses eröffnet und anschließend 6 Wochen jeweils dort zu sehen sein.

Wael Shawky; Cabaret Crusades: The Horror Show File, 2010; HD Video, Farbe, Sound, 31:49 Min.; Video still; Courtesy Wael Shawky und Sfeir-Semler Gallery, Beirut / Hamburg
Bausteine einer Eröffnung
Nachdem nach unzähligen Diskussionen und Gesprächen endlich die Entscheidung für die zwei Filme gefallen war, schlossen sich aus unserem Seminar jeweils zwei Expertengruppen für die Filme zusammen. Wir beschäftigten uns dort eingehend mit dem Film, recherchierten und sammelten Material. Dann ging es an die konkrete Umsetzung, denn für jede Ausstellung wird eine Pressemitteilung, ein Wandtext und ein bis zwei Reden für den Eröffnungsabend benötigt. Auch dieser Blogtext ist natürlich ein weiterer Baustein, wenn es gilt, die Ausstellungen und das Konzept der Studiengalerie vorzustellen. Wir erarbeiteten die verschiedenen Texte und Reden in unseren Expertengruppen und besprachen diese schließlich in der Gruppe – ein nervenaufreibender, dafür umso spannender Prozess, der zumeist bis kurz vor der Eröffnung andauert. So blicken wir also gespannt auf die kommenden Eröffnungen, doch bisher ist die Organisation und Umsetzung immer gelungen und die Ausstellungseröffnungen wurden zum Erfolg.
Das Besondere der Studiengalerie ist, dass es drei Dozenten aus unterschiedlichen Fachbereichen gibt, die diese leiten: Das Dreigestirn besteht aus Dr. Henning Engelke, als Kunsthistoriker der Goethe-Universität der Fachmann für Gegenwartskunst, Prof. Dr. Bernhard Jussen, als Geschichstwissenschaftler, der Mann mit dem historischen Durchblick und Dr. Martin Engler, der Kurator und Leiter der Sammlung Gegenwartskunst des Städel Museums und damit der Ausstellungsexperte. Interessant waren aus diesem Grund auch die auf höchstem Niveau geführten Diskussionen unter den drei Dozenten, wenn diese unterschiedlicher Meinung waren.
Zwischen Walter Benjamin und Hannah Arendt
Das Thema Erinnerungskultur, also die Frage, auf welche Weise und wie wir uns erinnern, wie Geschichte aufgefasst und wiedergegeben wird, bietet im Seminar eine große Fläche für Diskussionen. Und ohne Verweise auf Konzepte und Theorien der Philosophen Walter Benjamin oder Hannah Ahrendt kommt keine unserer Stunden aus.
Die fachübergreifende Arbeit gemeinsam von Studierenden der Kunstgeschichte und der Geschichtswissenschaften bietet im Seminar beiden Seiten etwas: uns Kunsthistorikern die Möglichkeit, uns unter geschichtlichen Fragestellungen mit einem Film auseinander zu setzen, wohingegen die künstlerische und medienwissenschaftliche Auseinandersetzung wiederum für die Studierenden mit historischem Schwerpunkt neu war. Ein großer Reiz an diesem Projekt ist natürlich auch der kuratorische Einblick, den man hier erhält: In keiner anderen Übung ist man so praktisch orientiert!
Durch die Teilnahme am Projekt der Studiengalerie konnten wir viel über das Medium Film lernen, ein Thema, das meistens in Veranstaltungen nur gestreift wird. Uns wurde deutlich, dass durch das Hinzukommen der medialen Ebenen Ton und bewegtes Bild die Analyse besonders komplex wird. Dennoch und gerade deswegen: Für das nächste Semester haben wir uns vorgenommen, die Studiengalerie weiterhin zu besuchen, da das Projekt eine besondere Nähe zur Ausstellungsentwicklung schafft und ganz real Ausstellungen ermöglicht.
Ort: Studiengalerie, Raum 1.357, Johann Wolfgang Goethe-Universität / Campus Westend, IG-Farben-Haus, Grünburgplatz 1, 60323 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten der Studiengalerie: montags bis donnerstags von 12-17 Uhr
Weitere Informationen erhaltet Ihr auf dem Blog der Studiengalerie.
Die Autorinnen dieses Gastblogbeitrags Johanna Knoop und Samira Idrisu freuen sich schon auf die Vernissage ihres Lieblingsfilms von Wael Shawky am 24. April um 20 Uhr in der Studiengalerie, Raum 1.357 des IG-Farben-Gebäudes. Auch Gäste sind hierzu natürlich herzlich eingeladen!
Kommentare (4)
Danke für den interessanten, informativen und kurzweiligen Beitrag zu dem Projekt der Studiengruppe der Kunstgeschichte-Studierenden „Erinnerungskultur, Geschichtspolitik und Bildgebrauch“. Hat mich neugierig auf die Filme gemacht, die in der Studiengallerie im Campus Westend gezeigt werden!
Liebe Frau Racke,
wir freuen uns sehr, dass der Beitrag neugierig auf die Filme in der Studiengalerie gemacht hat. Lassen Sie uns doch gern wissen, wie die Filme Ihnen gefallen haben.
Mit vielen Grüßen aus dem Städel
Silke Janßen
Hallo, vielen dank für diesen tollen Artikel, die Goethe-Uni ist schon eine fantastische Uni. Gehe da wirklich gerne hin, und immer wieder sehr tolle Veranstaltungen. MfG. Jenny
Hallo Jenny,
das freut uns zu lesen! Auch wir finden das Projekt und die Zusammenarbeit sehr gelungen und sind gespannt auf die weiteren Ausstellungen der Projektgruppe.
Viele Grüße
Silke Janßen