Blick in den Metzler-Saal: Nur das Titelschild von Michael Riedels Werk „And Germans, other Painters, Renegardes“ ist zu sehen, die Arbeit kann nur durch das Gehör erfahren werden.

 Die Tonspur hört sich wie eine Computerstimme an, die unzählige Wörter in unterschiedlichen Betonungen wiederholt und ohne Pause aneinanderreiht. Auffallend sind die Begriffe „Autobahn“, „Heimkehr“, „Höhe“, „Lösung“, „Neujahr“, „Rollen“, „Schwindeln“ und „Trabbi“. In unregelmäßiger Abfolge ertönen die Konjunktionen, Präpositionen und Pronomen, als ob eine alte Schallplatte hängen würde. Eine Ausnahme bildet der durchgehend formulierte Satz „And Germans, other Painters, Renegades The following text is a reprint of Painters, German, and other Renegades by Christine Mehring in alphabetical order, taken from the catalogue Neo Rauch – Renegades“, der zwischen Anfang und Ende der Tonaufnahme als Bindeglied fungiert und der Arbeit ihren Titel gibt.

Der Künstler Michael Riedel in der Schirn Kunsthalle, die mit der Ausstellung „Kunste zur Text“ in diesem Sommer die erste Retrospektive seines Werks zeigte. © Schirn Kunsthalle 2012, Foto: Norbert Miguletz

Der in der Tonspur verwendete Text stammt aus Riedels eigenem Ausstellungskatalog „Neo“, der anlässlich seiner ersten New Yorker Einzelausstellung in der Galerie David Zwirner im Jahr 2005 erschien. Dessen Vorwort hat Riedel eins zu eins für seine Tonaufnahme übernommen. Den begleitenden Katalogtext „Painters, Germans, and other Renegades“ von Christine Mehring im Rahmen der Ausstellung des Leipzigers Rauch nutzte Riedel ebenfalls als Vorlage für seine Arbeit. Darin ordnet er alle Worte und Satzzeichen nach alphabetischer Reihenfolge, wodurch der Text seinen ursprünglichen Sinngehalt komplett verliert. Diese Vorgehensweise entspricht Riedels konzeptuellen Arbeitsweise, die sich weniger für den reinen Inhalt als für die Ästhetik der Sprache und neue Wahrnehmungserfahrungen interessiert. Die Verbildlichung der Sprache übersetzt er gekonnt wieder zurück in ihren Ursprung, dabei lässt er etwas völlig neues entstehen. Gleichzeitig verweist Riedel jedoch auch auf das Objekt seiner Aneignung.

Der 1972 geborene Michael Riedel, Meisterschüler von Hermann Nitsch an der Frankfurter Städelschule, verfolgt das System der Reproduktion, Wiederholung und Differenz schon seit Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit. In Form von Neuinszenierungen von bereits stattgefundenen Ausstellungseröffnungen, Lesungen und Clubabenden an anderen Orten oder Kopien von Katalogen, Broschüren, Plakate und Einladungskarten komponiert und variiert er im Kontext der Kunst. Der von Thomas Demand anlässlich der Wiedereröffnung des Städel Museums gestaltete Metzler-Saal erhält durch Michael Riedels Soundarbeit eine weitere ästhetische Sinnschicht.