Metzler-Saal
Michael Riedel – Die Wiederholung in der Wiederholung, in der Wiederholung
Eine männliche Stimme bringt den Metzler-Saal zum Klingen, obwohl keine Person im Raum anwesend ist. Der Besucher betritt neugierig den Raum, um sich auf die Suche nach der fremden Stimme zu machen, deren Ursprung ohne sichtbaren Lautsprecher zunächst unklar bleibt. In der Raummitte wird diese deutlicher und der Besucher realisiert, dass die Klanggeber hinter der Wand angebracht sein müssen. Zunächst gelingt es nicht das Gesprochene zu begreifen. Es handelt sich bei den zusammenhanglos wirkenden Worten um eine Arbeit des Frankfurter Künstlers Michael Riedel mit dem Titel „And Germans, other Painters, Renegardes“ (2005), die seit Kurzem im Metzler-Saal zu erleben ist.
Manuela O’Connell | 27.12.2012

Blick in den Metzler-Saal: Nur das Titelschild von Michael Riedels Werk „And Germans, other Painters, Renegardes“ ist zu sehen, die Arbeit kann nur durch das Gehör erfahren werden.
Die Tonspur hört sich wie eine Computerstimme an, die unzählige Wörter in unterschiedlichen Betonungen wiederholt und ohne Pause aneinanderreiht. Auffallend sind die Begriffe „Autobahn“, „Heimkehr“, „Höhe“, „Lösung“, „Neujahr“, „Rollen“, „Schwindeln“ und „Trabbi“. In unregelmäßiger Abfolge ertönen die Konjunktionen, Präpositionen und Pronomen, als ob eine alte Schallplatte hängen würde. Eine Ausnahme bildet der durchgehend formulierte Satz „And Germans, other Painters, Renegades The following text is a reprint of Painters, German, and other Renegades by Christine Mehring in alphabetical order, taken from the catalogue Neo Rauch – Renegades“, der zwischen Anfang und Ende der Tonaufnahme als Bindeglied fungiert und der Arbeit ihren Titel gibt.
Der Künstler Michael Riedel in der Schirn Kunsthalle, die mit der Ausstellung „Kunste zur Text“ in diesem Sommer die erste Retrospektive seines Werks zeigte. © Schirn Kunsthalle 2012, Foto: Norbert Miguletz
Der in der Tonspur verwendete Text stammt aus Riedels eigenem Ausstellungskatalog „Neo“, der anlässlich seiner ersten New Yorker Einzelausstellung in der Galerie David Zwirner im Jahr 2005 erschien. Dessen Vorwort hat Riedel eins zu eins für seine Tonaufnahme übernommen. Den begleitenden Katalogtext „Painters, Germans, and other Renegades“ von Christine Mehring im Rahmen der Ausstellung des Leipzigers Rauch nutzte Riedel ebenfalls als Vorlage für seine Arbeit. Darin ordnet er alle Worte und Satzzeichen nach alphabetischer Reihenfolge, wodurch der Text seinen ursprünglichen Sinngehalt komplett verliert. Diese Vorgehensweise entspricht Riedels konzeptuellen Arbeitsweise, die sich weniger für den reinen Inhalt als für die Ästhetik der Sprache und neue Wahrnehmungserfahrungen interessiert. Die Verbildlichung der Sprache übersetzt er gekonnt wieder zurück in ihren Ursprung, dabei lässt er etwas völlig neues entstehen. Gleichzeitig verweist Riedel jedoch auch auf das Objekt seiner Aneignung.
Der 1972 geborene Michael Riedel, Meisterschüler von Hermann Nitsch an der Frankfurter Städelschule, verfolgt das System der Reproduktion, Wiederholung und Differenz schon seit Beginn seiner künstlerischen Tätigkeit. In Form von Neuinszenierungen von bereits stattgefundenen Ausstellungseröffnungen, Lesungen und Clubabenden an anderen Orten oder Kopien von Katalogen, Broschüren, Plakate und Einladungskarten komponiert und variiert er im Kontext der Kunst. Der von Thomas Demand anlässlich der Wiedereröffnung des Städel Museums gestaltete Metzler-Saal erhält durch Michael Riedels Soundarbeit eine weitere ästhetische Sinnschicht.
Die Autorin Manuela O’Connell studiert neben ihrer Tätigkeit am Städel Museum „Curatorial Studies“ an der Städelschule und Goethe-Universität Frankfurt am Main. Sie entdeckte bei der erneuten auditiven Wahrnehmung neue Aspekte in Riedels Werk.
Kommentare (2)
Ich erinnere mich noch gut an die Ausstellung. Michael Riedel ist meiner Meinung nach immer noch ein leider weit unterschätzter Künstler. Sein Eklektizismus verweist dabei allerdings auf ein Phänomen, das der Entwicklung der Post-Postmoderne auf Schritt und Tritt folgt: das Phänomen der Unendlichkeit des künstlerischen Werks. Eine Ausstellung ist nicht mehr abgeschlossen, sie wächst weiter, wird zum Teil der nächsten Ausstellung. Und immer merkt man dem Werk seine eigene Entstehung an, seine Unbeständigkeit, seine Einzigartigkeit in diesem Moment. Wir dürfen gespannt sein, wie es weiter gehen wird.
Vielen Dank für Ihren Beitrag! Sicherlich meinen Sie die Ausstellung von Riedels Werken in der Schirn Kunsthalle im Jahr 2012? Wir verfolgen sein Werk ebenso gespannt und teilen an dieser Stelle gern, wie sich seine Arbeiten weiter entwickeln.
Beste Grüße aus dem Städel
Silke Janßen