Neu im Städel
Klaus Rinke „Die Wand“
Wer kommt denn da an der Wand entlang? Es ist ein Mann, der, obwohl er in 15 der 16 Fotos der Serie statuarisch steht, näher zu kommen scheint. Diese fotografische Sequenz lässt an einen mit Einzelbildschaltung aufgenommenen Animationsfilm denken. Im letzten Bild ist die Wand, die dem Werk den Titel gibt, menschenleer. Erst darin erkennen wir, wie nackt und hoch die Wand und wie unwirtlich dieser Ort ist. Vor dieser New Yorker Backsteinwand hat sich der deutsche Künstler Klaus Rinke 1971 in Szene gesetzt. Rinkes 16-teilige Fotosequenz Die Wand ist eines der Werke, die im Zuge der Übergabe von über 200 Werken aus der DZ BANK in die Sammlung des Städel Museums kommen.
Hubert Beck | 31.10.2011
Die Fotografie ist das Medium, das die „Primärdemonstrationen“ Rinkes der ersten Hälfte der 1970er Jahre festhält. Unter Primärdemonstration versteht Klaus Rinke die Darstellung wesentlicher Dinge wie Zeit, Raum, Körper und Handlung. Entscheidend bei diesen skulptural anmutenden Aktionen ist, dass der Künstler selbst der Performer seiner Aktionen ist. Das verbindet ihn mit Künstlern wie Dieter Appelt, Anna und Bernhard Blume, Jürgen Klauke und anderen. In Die Wand ist Rinkes Werkvorstellung der 1970er-Jahre in der radikalen Einfachheit der Mittel exemplarisch realisiert. Nicht zuletzt durch die Präsenz des Künstlers im Bild zeigt sich, dass hier das fotografische Werk als eigenständige Arbeit konzipiert ist. Diese New Yorker Aktion wurde wie andere jener Zeit nur für die fotografische Arbeit durchgeführt.
Auffallend bei Die Wand ist zudem, dass das Werk auf die wissenschaftlich experimentellen Anfangszeiten des fotografischen Mediums wie etwa die Time-Motion-Aufnahmen eines Eadweard Muybridge verweist. Durch das Motiv der Wand haben wir es ebenso mit einer Architektur- bzw. Stadtfotografie zu tun. Doch Rinke geht es in erster Linie um Prozessabläufe. Waren diese vor 1972 oft mit dem Element Wasser verknüpft, ergreift der Künstler danach körperlich organisierte Vermessungsmaßnahmen, als wolle er sich der Beziehung von Mensch und Raum neu vergewissern. Diese Beziehung lag schon dem Proportionsschema Leonardos zugrunde. So erinnern andere Arbeiten Rinkes, bei denen er die Arme ausstreckt, nicht zufällig an diese Figur.
Um der Bedeutung dieses Werks aus dem Jahr 1971 gerecht zu werden, war es notwendig erhaltende Maßnahmen zu ergreifen. Gerade die Künstler der 1960er- und 1970er-Jahre, die ihre Aktionen dokumentieren wollten, haben kein besonderes Augenmerk auf die Haltbarkeit ihrer Fotografien gelegt.
Die signierten Originalabzüge mussten aus den vom Künstler hergestellten Stahlrahmen, die mit säurehaltigen Holzrückwänden versehen waren,entfernt werden, weil das Glas direkt auf den Silbergelatine-Abzügen auflag und bereits an einigen Stellen mit dem Glas eine Verbindung eingegangen war. Um die Arbeiten langfristig zu sichern, gleichzeitig aber auch die vom Künstler gewählte Präsentationsform zu erhalten, entschieden sich die Kuratoren aus der DZ BANK Kunstsammlung zusammen mit Klaus Rinke, etwas kleinere Abzüge der Serie herstellen zu lassen und diese dann mit Abstandhalter in die originalen Stahlrahmen einzubringen. Außerdem wurden die Rückwände ausgetauscht und die restaurierten Originale in einer dafür hergestellten säurefreien Verpackung eingelagert.
Klaus Rinke wurde 1939 in Wattenscheid geboren. Nach einer Lehre als Plakatmaler in Gelsenkirchen studierte er Malerei an der Folkwangschule in Essen. Klaus Rinke lehrte von 1974 bis 2004 als Professor für Bildhauerei an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Er lebt heute in Neufelden, Österreich.
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