Restaurierung von Baldungs Geburt Christi
Neuer Glanz in der Heiligen Nacht
Vor der Ausstellung „Heilige Nacht“ im Liebieghaus wurde Hans Baldungs „Geburt Christi“ restauriert. Die nun sichtbaren Details lassen das Bild buchstäblich in einem neuen Licht erscheinen.
Christiane Weber | 22.12.2016
Hans Baldung tauchte seine Darstellung der Geburt Christi ganz bewusst in extreme Beleuchtung: Die Gestalt des Kindes scheint ein gleißendes Licht auszusenden, das die Farbe seines Körpers auslöscht und die umgebenden Personen grell aus dem Dunkel hervortreten lässt. Geblendet muss sich der ihn tragende Engel abwenden und Josef mit der Hand seine Augen schützen. Auch das Mariengesicht wird von dem hellen Schein erfasst. Die vordere Kante des provisorischen Strohdachs und die dort heranschwebenden Engel sowie Ochs und Esel trifft noch ein letzter Lichtreflex. Die übrige Umgebung versinkt hingegen in schwarzer Nacht. Die zentralen Personen und Motive hebt der Maler auch mithilfe einer differenzierten, malerischen Behandlung hervor: Anders als die vom Licht getroffenen Oberflächen, die höchst präzise ins Bild gesetzt sind, verschwimmen im Schatten die nur vage angedeuteten Formen.

Zustand nach der Restaurierung: Hans Baldung Grien, Geburt Christi, um 1525/30, Öl und Harz auf Lindenholz, 91,5 x 55,1 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main
Unter Firnis und alten Retuschen verborgen
Von den starken Kontrasten und der abgestuften Malweise sah man in den Schattenpartien vor der Restaurierung alllerdings nur noch wenig – so stark wurden sie durch alte Überarbeitungen und den gealterten Firnis gestört. Als wir das Tafelgemälde untersuchten, zeigte sich, dass sich in der Vergangenheit manche Bretter der Holztafel verwölbt und die Brettfugen geöffnet hatten. Bei einer Neuverleimung der gewölbten Bretter waren Niveauunterschiede entstanden, die man durch Abschleifen der Malerei entlang der Fugen und mit viel Kittmasse ausgeglichen und wieder übermalt hatte.
Scharfe Reinigungsmaßnahmen hatten in der Vergangenheit die Malschicht mancher Bildpartien stark angegriffen. Teile des blauen Gewandes, der Hand und Haare Marias waren dabei beschädigt worden. Auch diese Schäden kaschierte man anschließend durch mehrfache Übermalungen. Doch auch unzerstörte, originale Malerei verschwand unter den Kittungen und Retuschen. Die Überarbeitungen, inzwischen fleckig verfärbt, verdeckten manche Motive des Bildhintergrundes fast vollständig. Die vom Maler beabsichtigten Helligkeitskontraste und besonders der schwarze Nachthimmel ließen sich durch die trüb und bräunlich veränderten Firnisschichten hindurch nur noch stark verändert wahrnehmen.

Detail aus der „Geburt Christi“: Zustand vor der Restaurierung (l.) nach der Reduzierung alter Firnisse und Abnahme alter Kittungen und Übermalung (M.) sowie nach der Restaurierung (r.)
Zurück zum Original
Behutsam reduzierten wir die alten Firnisse und nahmen die Übermalungen ab – dadurch traten nicht nur die alten Schäden zutage, die wir zurückhaltend neu retuschierten, sondern auch bisher verdeckte und nahezu unsichtbare Motive . Im Fensterausschnitt der Ruine links oben erscheint nun wieder die vom Maler zart angedeutete Verkündigung an die Hirten. Auch die sparsame, aber scharf abgegrenzte Beleuchtung des Marienkleides tritt nun wieder klar hervor und erzeugt den Eindruck deutlicher Plastizität. Die Stirn der Gottesmutter, vor der Restaurierung unter der verfälschenden Rekonstruktion ihres Kopfschleiers verborgen, war zum Glück nur teilweise beschädigt und konnte weitgehend wieder freigelegt werden.

Fensterausblick: links im Vorzustand, rechts im Endzustand mit der nun sichtbaren Verkündigung an die Hirten
Außerdem ist rechts oben die von einem bläulichen Schimmer umgebene Figur Gottvaters wieder besser zu erkennen. Er trägt das Kreuz als Vorausdeutung auf den Opfertod Christi. Im Kontext dieser Passionssymbolik ist auch die verstörend wirkende Farbe des Kindes zu sehen: Weil Maria als Jüdin mit den alttestamentarischen Prophezeiungen vertraut war, soll ihr den Visionen der heiligen Birgitta zufolge bereits bei Geburt das Schicksal ihres Sohnes bewusst gewesen sein: „So oft ich [Maria] meinen Sohn anblickte, so oft ich ihn einwickelte in die Windeln, so oft ich seine Hände und seine Füße anschaute, so oft ist mein Gemüt gleichsam von neuem Schmerz verschlungen worden, weil ich daran dachte, wie er gekreuzigt werden würde.“ Der in einer anderen Vision Birgittas beschriebene göttliche Glanz des Kindes schlägt vermutlich deshalb bei Baldung in Leichenblässe um und die Windeln erinnert zugleich an das Leichentuch. Dank der jüngsten Restaurierung tritt diese subtile Symbolik wieder deutlich vor Augen.
Die Autorin Christiane Weber arbeitet als freie Restauratorin am Städel Museum und freut sich, das Gemälde nun in einem neuen Zusammenhang betrachten zu können.
Das Gemälde ist noch bis 29. Januar 2017 in der Ausstellung Heilige Nacht. Die Weihnachtsgeschichte und ihre Bilderwelt in der Liebieghaus Skulpturensammlung zu sehen.
Kommentare (5)
Brav plattgebügelt!
Angst vor den Restauratoren kommt wieder hoch.
Wie leider viel zu oft, zeigen die drei Abbildungen,
daß die Restauratoren besser ihre zerstörenden Maßnahmen unterlassen sollten,
bzw bescheiden noch vorsichtiger agieren müssten.
Bild 1 (l, vor der Restaurierung)hat Anmut, Licht und guten Kontrast.
Warum leuchtet dieses Inkarnat von innen?
Schon die „behutsame“ Reinigung scheint zuviel.
Danach werden nur noch ohne Sinn und Verstand Lücken geschlossen,
Farben übertrieben und Effekte nivelliert,
die die Klasse des Werkes langfristig in die zweite Reihe stellen.
Sollte es nur an den Fotos liegen, macht es den Artikel nicht besser!
Bitte etwas mehr Zurückhaltung und Demut beim Feiern von Verlusten!
Toll sind wir eh.
Gruß von Sven Schalenberg.
Das unbearbeitete Bild sieht besser aus.
Sorry, mein letzter Kommentar dazu erscheint mir heute doch als etwas zu harsch.
Wahrscheinlich wird er auch gar nicht freigegeben.
Trotzdem bleibt der Eindruck, daß das bessere Foto das unbearbeitete Bild zeigt.
Wenn aber keiner mehr genau hinguckt wird es auch egal.
Ich muß mich aber selbst erschreckt fragen, warum nicht nur ich im Internet schon etwas argessiv artikuliere.
Ich vermute, weil wirklich weltweit der Unmut über zu viel fein geleckte Schönfärberei
zum Überdruss führen.
Die Marketing Abteilung gibt wohl eh nur frei, was positiv wirkt.
Deshalb der Schluß: Toll sind wir eh.
Nee
Wenn ein Haus, ein Einzelner, die ganze Welt
nicht kritikfähig bleibt, dann macht Kommunikation gar keinen Sinn!
Brav plattgebügelt gibt es aber gar nicht so selten!
Wenn wieder Angst vor den Restauratoren kommt, so vor allem wegen der Erinnerung an die japanisch finanzierte Bearbeitung der Sixtina. Das hat zwar nichts mit Staedel zu tun, aber mit der Angst um alte Meister und dem pauschalen Endloslob der Bilderklinik.
Wie leider viel zu oft, zeigen die drei Abbildungen oben,
daß die Restauratoren manchmal zuviel wegnehmen,
bzw bescheiden noch vorsichtiger agieren müssten.
Bild 1 (l, vor der Restaurierung)hat Anmut, Licht und guten Kontrast.
Warum leuchtet dieses Inkarnat von innen?
Schon die “behutsame” Reinigung scheint zuviel.
Danach werden nur noch Lücken geschlossen,
Farben übertrieben und Effekte nivelliert,
die die Klasse des Werkes langfristig in die zweite Reihe stellen.
Sollte es nur an den Fotos liegen, macht es den Artikel wirklich nicht besser!
Viellecht mehr Zurückhaltung und Demut beim Feiern der eigenen Größe, die vielleicht auch mal gar nicht groß ist!
Warum eigentlich die Mühe zu kommentieren?
Vielleicht lassen wir es besser.
Stille Nacht…
Gruß von Sven Schalenberg.
Sehr geehrter Herr Schalenburg,
unsere Restauratoren haben Ihren Kommentar aufmerksam gelesen. Christiane Weber meldet sich hiermit persönlich bei Ihnen zurück:
Ihre Kritik an der Restaurierung haben wir natürlich mit Interesse aufgenommen, konnten ihren Einwänden aber nur sehr bedingt folgen. Ihr Eindruck, dass das Gemälde vor der Restaurierung besser aussah, zeigt meiner Ansicht nach vor allem, dass sich bestimmte Phänomene mit Hilfe der Fotografie nur sehr schwer darstellen lassen.
Es war die Absicht der Restaurierung, von späteren Zutaten wie Überkittungen und Übermalungen abgedeckte Bildpartien, die zum Großteil noch original erhalten waren, wieder sichtbar zu machen. Bis auf Hand und Stirn der Madonna waren die Inkarnate hiervon nicht betroffen, sondern viel eher Bildpartien des Hintergrundes. Die Firnisabnahme beschränkte sich auf obere Firnisschichten, unter denen eine sehr alte Firnisschicht ganz bewusst belassen wurde. Sie lag z.t. auch unter den Übermalungen und in alten Beschädigungen, wie unter UV-Licht deutlich zu sehen. Von daher können wir uns nicht vorstellen, hier zerstörerisch tätig geworden zu sein.
Um die Restaurierung zu erläutern und Ihre Fragen zu beantworten, laden wir Sie zu einem Gespräch direkt vor dem Gemälde ein. Falls Sie daran interessiert sind, melden Sie sich bitte per Mail an presse@staedelmuseum.de.
Sehr geehrte Sarah Omar!
Ja, alles gut!
Ich wollte Ihnen auch gar keine Zerstörung vorwerfen.
Vielleicht liegt das Ganze wirklich nur an den Fotos.
Aber dass auch Originalmaler noch über fertige Firnisse Korrekturen machen, selbst, wenn Arbeiten bereits ausgestellt waren, weiß ich aus eigener Erfahrung.
Beim Abnehmen des Firnis hatte ich schon öfter auch Farbe dabei, auch bei Ausreichender Trocknung.
Danke aber für Ihre Reaktion!
Gerne unterhalte ich mich vor den Originalen, auch im Städel, klar.!!!
Ich bin aber mit arger Gehbehinderung nur noch wenig unterwegs.
Gruß von Sven Schalenberg.
Kommen Sie auf unser Angebot einfach zurück, sollten Sie es doch mal wieder ins Städel schaffen. Beste Grüße!