Foto: Harald Schröder

Die erste Städel-Nacht wird sicher voll, der Vorverkauf ist bereits eingestellt – an der Abendkasse sind noch einige wenige Karten zu ergattern. Was erwartet das Publikum bei der „Süper Bad Night“ heute Abend?
Es ist nicht so, dass ich mit einem fertigen Konzept an so einen Abend herangehe. Aber ein Motto könnte sein: Welche Möglichkeiten habe ich, die heiligen Hallen des Städel zu entweihen und mit den Mitteln der Musik Strukturen des altehrwürdigen Hauses aufzubrechen. Die Herausforderung ist, im Städel ein intimes, hedonistisches und sinnliches Spektakel zu inszenieren. Dafür gibt es kein vorgefertigtes Rezept. Die Mischung aus Szenen, Altersgruppen und Charakteren, die an diesem Abend zusammentreffen, ist sicher sehr interessant. Da lasse ich mich gern überraschen.

Macht es einen großen Unterschied, in einem Club oder in einem Museum aufzutreten?
Ich finde es viel spannender, in öffentliche Räume zu gehen und dort Musik zu machen, als in einem Club. Eine Kulturinstitution bietet eine völlig andere Schnittstelle. In ein Museum kommen auch Menschen, die normalerweise nicht in einen Club gehen würden. Es geht also nicht darum, bloß cool zu sein, das Gegenteil ist der Fall. Auf der Städel-Nacht manifestiert sich, welche Möglichkeiten diese Stadt hat, denn es gibt kaum Events dieser Art, bei denen sich die sogenannte „Hochkultur“ mit einer Nischenkultur mischt.

Welche Lieblingswerke werden Sie dem Publikum vorstellen?
In den Irrungen und Wirrungen meines Werdegangs habe ich auch Kunstgeschichte studiert. Deshalb fühlte ich mich spontan inspiriert, einen subjektiven persönlichen Rundgang anzubieten. Ein Thema wird die Demontage Gerhard Richters sein…

Sie sind in der ganzen Welt auf Tour. Welche Rolle spielt Frankfurt für Sie?
Heimat ist kein Ort, sondern ein Gefühl. Ich fühle mich in Frankfurt emotional verwurzelt. Da ich sehr viel unterwegs bin, ist die Stadt mit ihrer guten internationalen Anbindung für mich auch eine optimale Ausgangsposition. Frankfurt ist auf der einen Seite so etwas wie ein kosmopolitischer Durchlauferhitzer, andererseits besitzt die Stadt eine unheimlich fruchtbare Atmosphäre, weil Frankfurt räumlich sehr klein ist und man alles zu Fuß erreichen kann. Zudem hat man hier immer die Möglichkeit, Ideen umzusetzen, sei es ein Konzert, eine Party oder ein Clubkonzept.

Mit dem Bucovina Club, der im Schauspiel Frankfurt startete und der darauf folgenden Compilation lösten Sie einen Balkan-Pop-Trend aus und eroberten weltweit die Charts. Die Begeisterung für Ihre besondere Mischung aus traditioneller Musik aus Osteuropa und Elektrobeats zieht Massen auf die Tanzfläche. Wie war das damals im Schauspielhaus – es muss ein sehr euphorisches Gefühl des Aufbruchs gewesen sein?
Angefangen hat alles mit dem Undergroundclub Lissania im Bahnhofsviertel Anfang der 1990er-Jahre. In der Tat fühlte ich da eine Aufbruchstimmung. Im Lissania kamen Leute von der Forsythe Company oder der Städelschule zusammen und trafen sich zum Feiern. Dabei ging es um mehr als nur einen guten Abend zu haben. Das hat langfristige Wellen geschlagen, denn über Jahre hinweg hat man immer wieder Leute getroffen, die man auf den Partys kennengelernt hatte. Mit dem Bucovina Club im Schauspiel war das ähnlich. Zu der Zeit ist man nicht ins Schauspiel gegangen. Beim Bucovina Club wusste man allerdings nicht, wohin das führen wird. Am Anfang wurde die Musik als grauenhaftes Folklorezeug beschimpft. Bucovina war roh und kantig und zu diesem Zeitpunkt richtig. Heute – 10 Jahre später – interessiere ich mich immer noch für die Rauheit des Sounds, die auch etwas Anarchisches hat. Die aktuelle Protestbewegung, die wir momentan in Europa erleben, hat noch keine popkulturelle Entsprechung. Da besteht vielleicht die Möglichkeit anzudocken.

Welche Musikstile reizen Sie noch?
Ich habe mit elektronischer Musik angefangen und hätte mir niemals träumen lassen, wie es mit dem Bucovina Club weitergeht. Meistens sind es Verunglückungen oder Zufallsprodukte, die einen weiterbringen. In Bezug auf eine globale Popkultur hat sich in den letzten Jahren viel getan. Heutzutage kommen die interessantesten clubigsten Sounds aus Rio, Puerto Rico oder auch aus Russland wie beispielsweise aus Odessa.

Sie haben mit vielen Musik- und Filmgrößen zusammengearbeitet. Zum Beispiel mit Boban und Marco Markovic, Fatih Akin und vielen mehr. Welche Zusammenarbeit fehlt Ihnen noch?
Ich bin sehr stolz, dass ich vor ein paar Jahren eine Zusammenarbeit mit Madonna abgelehnt habe. Ich denke, man sollte grundsätzlich die Augen und Ohren offen halten, es ist wichtig, sich diese Sensibilität zu erhalten. Oftmals stolpere ich über unbekannte Musiker, die mich mit ihrem frischen Sound überraschen. Meine Erfahrung ist, dass man immer eher enttäuscht wird, wenn man mal einen seiner Helden trifft.

Sie haben in Frankfurt Grafikdesign und Kunstgeschichte studiert. Gab es irgendwann einen Moment, an dem Sie sich entscheiden mussten, ob Sie mit Musik oder Kunst weitermachen?
Ich war fest davon überzeugt, dass ich visuell arbeiten werde. Mein Vater war Gestalter und Illustrator. Das Zeichnen, Malen oder den Geruch von Farbe und Pinselreinigern habe ich von Kindesbeinen an mitbekommen. Mit Musik habe ich angefangen, um mein Studium zu finanzieren. Dann folgte eines dem anderen. In künstlerische Prozesse bei der Produktion von Platten, wie zum Beispiel die Gestaltung der Cover, habe ich mich immer eingeklinkt. Doch bis heute fühle ich mich nicht als Vollblutmusiker. Es kann immer sein, dass man morgen etwas anderes macht, zum Beispiel Oliven züchten.