Blick in den Städel Garten: Die Arbeit „Erster Schornstein II“ (2013) von Jan Svenungsson ist rechts im Bild zu sehen, im Vordergrund das Werk „Shutter’s Lullaby / Ellipse for Städel, 2012“ von Olaf Nicolai. Foto: Norbert Miguletz; © Vordergrund: Olaf Nicolai / VG Bild-Kunst, Bonn 2013 / Hintergrund: Jan Svenungsson

Pünktlich um 9 Uhr morgens bei noch kühler Luft und Sonnenschein trifft sich Tobias Rehberger mit unterschiedlichsten Mitarbeitern des Städel Museums im Städel Garten: rund 10 Personen der Abteilungen Aufbauteam, Ausstellungsdienst und der Abteilung Gegenwartskunst sind vor Ort. Auf der Rasenfläche unterhalb eines großen Baumes ist ein Stück mit Absperrband abgeteilt, es wird vermessen, immer wieder geschaut und diskutiert. Genau an diese nun abgegrenzte Stelle soll in einigen Wochen Rehbergers Arbeit „Capri Moon“ aufgestellt werden. Eine poetische, surreal anmutende Arbeit: eine puristisch gestaltete, in strenger Geometrie aufgebaute Gartenbank, darüber schwebt eine große, weiße Kugel, die immer nur dann leuchtet, wenn auch der Mond über der italienischen Insel Capri scheint. Die Bank, auf das andere Mainufer ausgerichtet, lenkt den Blick als erstes auf die Bankgebäude der Frankfurter Skyline. Tobias Rehberger, der 1966 in Esslingen am Neckar geboren wurde und in Berlin und Frankfurt arbeitet, schaut gespannt auf die Baumkrone und den abgegrenzten Rasenbereich: „Wichtig für den Standort der Arbeit war für mich ein geeigneter, schöner Baum und natürlich auch ein Ausblick, der zur Arbeit passt“, erläutert Rehberger, der an der Städel-Schule auch als Professor tätig ist. Ähnlich wie sein Werk „Patria o muerte“, das im Städel Museum im Peichl-Bau zu sehen ist, thematisiert auch diese Arbeit sogenannte „Zwischenorte“: „Beide Arbeiten beziehen sich eigentlich auf andere Orte, es geht um die Frage nach dem Hier und Dort, dem Vorher und Nachher, diese Begrifflichkeiten möchte ich mit der Arbeit verhandeln“, sagt Tobias Rehberger. „Und über die Romantik bzw. die Pseudoromantik mache ich mich gleichzeitig auch etwas lustig“, fügt er noch schmunzelnd hinzu.

Planung und Aufbau der Arbeit „Capri Moon“, rechts Künstler Tobias Rehberger. Foto: Städel Museum


Text, Musik, Klangobjekte

Die Skulptur ist inzwischen aufgebaut und neben 14 weiteren Skulpturen aus dem 20. und 21. Jahrhundert im Städel Garten zu sehen. Die feierliche Eröffnung der Neupräsentation der Skulpturen im Städel Garten wird am Dienstag, den 30. April um 19 Uhr eröffnet und leitet damit die Gartensaison ganz offiziell ein – denn künftig werden auf dem Gartengelände rund um das Städel in regelmäßigen Abständen auch Performances, temporäre installative Arbeiten und Filmvorführen stattfinden. Am Dienstag, 30. April läutet dies die US-amerikanische Künstlerin Adrian Williams (*1979 in Portland, Oregon, USA, lebt und arbeitet in Frankfurt am Main) mit ihrer Performance „Watering Hole“ ein. Die Aufführung unter Beteiligung von Schauspielern, dem Kinderchor Frankfurt und der Jungen Deutschen Philharmonie wird Text, Musik und Klangobjekte miteinander verbinden. Neben der Arbeit von Rehberger wurden auch Skulpturen und installative Arbeiten der zeitgenössischen Künstler Janet Cardiff & George Bures Miller (*1957 in Brussels, Ontario, Kanada, bzw. 1960 in Vegreville, Alberta, Kanada), Olaf Nicolai (*1962 in Halle a. d. Saale) und Jan Svenungsson (*1961 in Lund, Schweden) neu aufgestellt.

Tobias Rehberger (1966); Capri Moon, 2011; Aluminium, Stahl verzinkt, Industrie-Lack, Acrylglas, elektronische Steuerung, Leuchtmittel; Städel Museum, Frankfurt am Main; Foto: Norbert Miguletz; © Tobias Rehberger


Raum für Irritationen

Am augenfälligsten und auch von Weiten deutlich sichtbar ist die Arbeit des in Berlin lebenden Künstlers Jan Svenungsson: für das Städel hat er die Arbeit „Erster Schornstein II“ geschaffen. Ein zehn Meter hoher, aus rotem Kanalklinker gebauter Schornstein, wie er einst bei den unzähligen Industriebauten des 19. Jahrhunderts zu finden war. Der mit einem Maurerteam in den vergangenen Wochen gebaute Schornstein steht nah am Gebäude des Museums, ist  allerdings weit kleiner als dieses. Der Schlot, der ohnehin mit keinem Gebäude verbunden ist um Rauch abzuführen, wird in seiner Funktionslosigkeit damit nur noch verstärkt. „Mich interessiert an dieser Arbeit der Störungseffekt“, sagt Jan Svenungsson. „Kunst im öffentlichen Raum bietet oft eine große Projektionsfläche, sie kann Irritation auslösen, aber auch zu ganz unterschiedlichen Interpretationen führen.“ Ob als Kommentar zum Ende des Industrialismus, als umweltpolitische Kritik oder als Phallus-Symbol – Svenungsson hat bereits zahlreiche Deutungen seiner Arbeit erfahren. Genau diese verschiedenen Möglichkeiten der Deutung machen für Svenungsson auch das Motiv des Schornsteins so interessant. Seine Schlote entstanden inzwischen unter anderem in Finnland, Schweden und Südkorea. Einer der Schornsteine wurde sogar in einem Fluss gebaut. Auf die Frage, wie der Künstler seine Arbeit selbst versteht, lacht Svenungsson nur: „Was das eigentlich ist, frage ich mich selbst immer noch. Es gibt keine endgültige Antwort und das macht die Skulptur so spannend“.

Während des Aufbaus seines Werks „Erster Schornstein II“ unterstützte Jan Svenungsson das Maurerteam als Hiflsarbeiter. Auch dies ist Teil des Konzepts seiner Arbeit. Foto: Städel Museum