Hans Thoma und Frankfurt
„Stätte des Götzen- und Mammonsdienstes“
Frankfurt: Die einen lieben es, die anderen können nur wenig Sympathie zu der Stadt am Main aufbauen. Doch dies ist keine Erscheinung des 21. Jahrhunderts – dem Maler Hans Thoma ging es vor mehr als 100 Jahren ähnlich. Trotz seines langen Aufenthalts von über 20 Jahren blieb seine Beziehung zu der Stadt widersprüchlich: Ein guter Grund, sich diesem spannungsreichen Verhältnis auf unserem Blog zu nähern!
Julia Bremer | 24.09.2013
„Frankfurt mit seinem Opernhaus – Börsehaus ist gewiss eine rechte Stätte des Götzen- und Mammonsdienstes; warum ich gerade hier und sonst nirgends in Deutschland eine ruhige Stätte gefunden habe, ist auch ein wenig Rätsel.“
Der aus dem Schwarzwald stammende Maler Hans Thoma (1839–1924) siedelte im Jahr 1877 endgültig nach Frankfurt über, nachdem er in den drei Jahren zuvor bereits mehrere Aufträge in der Stadt ausgeführt hatte. Er zog samt Mutter, Schwester und Ehefrau Cella an den damaligen Stadtrand in die Lersnerstraße 20, welche heute im Stadtteil Nordend liegt. Die Wohnung bot den Blick in den Holzhausenpark, welcher damals noch die „Öd“ genannt wurde. Genau diesen Ausblick hielt Thoma in vier Gemälden fest. Zwei von ihnen befinden sich im Besitz des Städel und sind auch in der aktuellen Sonderausstellung „Hans Thoma. ,Lieblingsmaler des deutschen Volkes‘“ zu sehen.
Abgesehen von den erwähnten Ansichten des Parks interessierte sich Thoma jedoch wenig für die Stadt als Bildmotiv. Vielmehr zog die Umgebung Frankfurts seine Aufmerksamkeit an. Sie inspirierte ihn nicht nur zu Landschaftsgemälden, sondern bildete auch das Fundament für seine religiösen und mythologischen Werke.
Euphorie und Entsetzen – die Ausmalung des Café Bauer
Thoma erhielt viele Aufträge in Frankfurt; er wurde gleichermaßen für private wie für öffentliche Aufgaben engagiert. Einer der großen Aufträge umfasste die Wand- und Deckendekoration des Café Bauer, welches sich damals am Schillerplatz befand, der heutigen Hauptwache. Thoma gestaltete die Decke in Form von zwölf Feldern mit Darstellungen der Monate und Tierkreiszeichen. Die Mitte bildete ein Glücksrad mit vier allegorischen Gestalten, bestehend aus einem Menschen, einem Affen, einem Wolf und einem Schwein. Thoma selbst war äußerst zufrieden mit seinem Werk: „Die Bavariadecke ist oben, und ich bin fast selber überrascht, wie gut die Malerei aussieht. Es geht auch nichts davon verloren, und es hat das Aussehen von leicht und sicher Hingeschriebenem.“ Thomas Euphorie wurde jedoch nicht von allen geteilt – so beschwerte sich der Besitzer über den in seinen Augen unzüchtigen Anblick, welchem die Besucher und Gäste während des Cafébesuchs ausgesetzt seien. Er ließ die Darstellungen kurze Zeit später übermalen. Als Thoma deutschlandweit Berühmtheit erlangte, ließ man sie übrigens wieder freilegen. Das Café wurde noch bis 1930 betrieben, das Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Vier allegorische Gestalten: Detail des Entwurfs für die Decken- und Wandbemalung des Café Bauer. Ca. 1884, Städel Museum, Frankfurt am Main
Thomas Erfolg in Frankfurt setzte sich weiter fort: „Es kommen immer mehr Leute zu mir ins Atelier, und ich stehe in großem Ansehen als Künstler“. Auch seine finanzielle Lage verbesserte sich zusehends. Er zog mit seiner Familie ins vornehme Westend in die Wolfgangsstraße um.
„Seiner Zeit voraus“ – Thoma und das Städel
Die ersten Berührungspunkte zwischen Thoma und dem Städel Museum gab es in diesen Jahren. Der Kunsthistoriker Henry Thode (1847–1920), der von 1889 bis 1891 Direktor am Städel war, wurde Thomas guter Freund und Förderer. Er war von Anfang an begeistert von den Arbeiten Thomas und war der Ansicht, er zähle zu jenen großen Künstlern, die ihrer Zeit weit voraus seien. Trotz Thodes großem Engagement für seinen Freund erwarb das Städel erst 1898 das erste Thoma-Gemälde Offenes Tal, das dieser 1872 malte. Das Werk darf in der aktuellen Thoma-Ausstellung natürlich nicht fehlen.
Der heutige große Bestand der Thoma-Werke des Städel geht auf die 1930er Jahre zurück. In dieser Zeit erwarb das Museum ein umfangreiches Konvolut von Gemälden und Grafiken aus zwei Privatsammlungen. Eine wichtige Rolle spielte hierbei Sofie Bergman-Küchler. Die Tochter von Eduard Küchler, einem der wichtigsten Sammler von Thoma, widmete sich der Aufgabe, dessen Werke der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Schon 1922 gründete sie mit einem ehemaligen Studenten Thodes die Hans-Thoma-Gesellschaft in Frankfurt.

1898 durch das Städel Museum erworben: Hans Thoma; Offenes Tal (Landschaft), 1872; Öl auf Leinwand, 77 × 106 cm; Städel Museum, Frankfurt am Main
Obwohl Thoma sich in Frankfurt gut eingewöhnt und hier zahlreiche Freunde und Förderer gefunden hatte, hegte er zeitlebens eine gewisse Skepsis gegenüber der Stadt und besonders gegenüber der Bedeutung des Geldes in Frankfurt, wie sich in Briefen zeigt: „Das öde Frankfurt, wir kennen es. Der Maßstab, den es an alles legt heißt Geld – und was sich damit nicht messen lässt, ist töricht, sogar wenn es ihnen sonst gefallen könnte. – Werte, die man nicht in Geld umsetzen kann, kennt diese Öde nicht. – Wir wollen uns nicht allzu lang mit derselben aufhalten.“
Dennoch ließ die Stadt die Familie Thoma nach ihrem Umzug nach Karlsruhe – wo Hans Thoma eine Professur an der Großherzoglichen Kunstschule annahm und zudem Direktor der Kunsthalle wurde – im Jahr 1899 nicht kalt: „Heimweh nach Frankfurt stellt sich freilich oft ein, aber am allermeisten doch bei Cella.“
In der Ausstellung „Hans Thoma. ,Lieblingsmaler des deutschen Volkes‘“ im Städel Museum widmet sich ein eigener Frankfurt-Raum Thomas Beziehungen sowie Vernetzungen , doch vor allen den künstlerischen Arbeiten, die in der Stadt entstanden. Für einen Moment versetzt der Raum den Besucher in das idyllische Frankfurt Ende des 19. Jahrhunderts, wie Hans Thoma es sah, fernab von Modernisierung, Autos und Industrie. Die Gemälde des Holzhausenparks, die Porträts von seinen Bekannten, Freunden, Förderern und seiner Frau geben Einblicke in Thomas Zeit in der Mainmetropole und vermitteln Vorstellungen von seinem damaligem Umfeld und Lebensraum.
Die Autorin Julia Bremer absolviert derzeit ein Praktikum in der Abteilung „Kunst der Moderne“ und kann als gebürtige Hamburgerin die Hin-und Hergerissenheit Thomas zu der Stadt am Main deutlich nachvollziehen, obwohl sie Frankfurt längst in ihr Herz geschlossen hat.
Die Ausstellung Hans Thoma. ,Lieblingsmaler des deutschen Volkes‘ ist nur noch bis Ende dieser Woche, bis zum 29. September 2013 im Städel Museum zu sehen.
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