Was zwei Monet-Gemälde erzählen
Viel mehr als auf den ersten Blick
Die Monet-Ausstellung bot die besondere Gelegenheit zur technologischen Forschung an der eigenen Sammlung. So haben wir im Vorfeld der Schau in der Abteilung für Gemälderestaurierung 15 impressionistische Werke aus dem eigenen Bestand untersucht.
Eva Bader | 05.06.2015
Im Mittelpunkt standen Fragen wie: Welche Materialien hat der Maler verwendet? Wie verlief der Werkprozess? Hat der Künstler sein Gemälde zu einem späteren Zeitpunkt nochmals überarbeitet?
Anhand der gewonnenen Erkenntnisse kann die unterschiedliche Entstehung der beiden Bilder „Das Mittagessen“ (1868/1869) und „Häuser am Ufer der Zaan“ (1871) von Claude Monet genauer nachvollzogen werden.
„Das Mittagessen“
Die Interpretation der Röntgenaufnahme des Werks „Das Mittagessen“ ergab, dass Monet die Komposition während des Malprozesses mehrfach verändert hat. Die heute sichtbare Darstellung war also vorab nicht schon exakt festgelegt, sondern der Maler ließ sie auf der Leinwand entstehen.
Die Besucherin am Fenster
Die beiden obigen Abbildungen zeigen jeweils den gleichen Bildausschnitt, links ist die Röntgenaufnahme zu sehen. Im vollendeten Gemälde rechts lehnt die Frau am Fenster und richtet den Blick in den Raum. In der Röntgenaufnahme hingegen sind zwei Gesichter erkennbar, die nicht mit der Besucherin übereinstimmen; beide schauen aus dem Fenster. Außerdem waren anstelle des Brotlaibs zunächst zwei Baguettes auf dem Tisch platziert.
Mutter und Kind
Auch bei der Darstellung von Mutter und Kind veränderte Monet die Komposition: Die heutige Version zeigt das Kind rechts von der Mutter am Tisch. In der Röntgenaufnahme sitzt es dagegen auf dem Schoß der zum Fenster gerichteten Mutter. Der Künstler übermalte diese erste Version des Sohnes und drehte die Mutter nach rechts zum dort sitzenden Kind. Außerdem fügte er die Bedienstete im Hintergrund hinzu.
„Häuser am Ufer der Zaan“
Im Gegensatz zu „Das Mittagessen“ sind bei den „Häusern am Ufer der Zaan“ keine umfangreichen Kompositionsveränderungen feststellbar. Unsere Untersuchungen am Bild haben gezeigt, dass Monet die Position der wichtigsten Bildelemente festlegte, bevor er mit der malerischen Ausführung begann. Aufschlussreicher war für uns in diesem Fall die Untersuchung der Gemäldeoberfläche mit einem Stereomikroskop.
Kohleunterzeichnung beim Haus
Monet fertigte keine detaillierte Unterzeichnung, das heißt eine zeichnerische Kompositionsplanung auf dem Malgrund vor Ausführung der Malerei, an, sondern skizzierte seine Bildidee nur flüchtig. Er setzte lediglich wenige Markierungspunkte und Linien auf den Malgrund. Deshalb sind auch nur wenige Kohlepartikel zwischen aneinandergrenzenden Farbpartien des Hauses in der Bildmitte erkennbar. Für Bildelemente wie das rechte Haus, die Bäume, Personen oder Wolken ist keine Unterzeichnung auffindbar. Dieser Befund spricht dafür, dass Monet die Motive während des Malprozesses hinzufügte.
So zeigen die technologischen Untersuchungen der beiden Gemälde „Das Mittagessen“ und „Häuser am Ufer der Zaan“ die unterschiedlichen Herangehensweisen Claude Monets bei seinen Kompositionsplanungen und der Bildentstehung.
Die Autorin Eva Bader arbeitet als Diplom-Restauratorin am Städel Museum und freut sich, bei der Monet-Ausstellung die Gemälde aus dem eigenen Sammlungsbeständen im Kontext mit den vielen anderen bedeutenden Leihgaben anderer Museen sehen zu können.
Die ausführlichen Untersuchungsergebnisse zu den 15 impressionistischen Werken aus der Sammlung des Städel Museums könnt Ihr im Ausstellungskatalog nachlesen. Darüber hinaus habt Ihr bei Eurem Besuch der Monet-Ausstellung noch bis zum 28. Juni 2015 bei sieben ausgewählten Gemälden die Möglichkeit, mittels QR-Codes an den Labels per Smartphone online die Ergebnisse der technologischen Untersuchungen einzusehen. Alle Untersuchungsergebnisse findet Ihr außerdem auch auf unserer Website.
Kommentare (3)
Wir sind bei Cranach auch auf Tiefgang gegangen, mit Infrarot- und Röntgenaufnahmen:http://blog.klassik-stiftung.de/cranach-im-streiflicht/
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Klassik Stiftung Weimar,
ganz herzlichen Dank für den Linktipp! Das ist ein wirklich interessanter Artikel, zudem wunderbar gestaltet.
Mit besten Grüßen aus Frankfurt
Silke Janßen
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