Weitverzweigte Gänge führen auf der TEFAF (The European Fine Art Fair) 2014 entlang der über 270 Händler-Showrooms.

Weitverzweigte Gänge führen auf der TEFAF (The European Fine Art Fair) 2014 entlang der über 270 Händler-Showrooms.

Florenz als Zentrum 

Jacopo Pontormo, Rosso Fiorentino, Agnolo  Bronzino – herausragende Maler des Florentiner Manierismus wie diese wird das Städel Museum Anfang 2016 in einer großen Sonderausstellung präsentieren. Die Schau widmet sich der Stadt Florenz als dem ersten maßgeblichen Zentrum des europäischen Manierismus und spannt einen Bogen von der Rückkehr der Medici 1512 und den ersten künstlerischen Gehversuchen der neuen Künstlergeneration von Pontormo und Rosso bis hin zur Definition der „Maniera“ in den Aufzeichnungen des berühmten Kunstgeschichtsschreibers Giorgio Vasari 1568. Außerhalb der toskanischen Metropole selbst hat es in Europa bislang noch nie eine umfassende Präsentation zu diesem Klassikergebiet der Kunstgeschichte gegeben. Auf der Suche nach internationalen Leihgaben für diese Ausstellung ist Städel-Kustos Bastian Eclercy im März 2014 unter anderem auch nach Maastricht gereist, um dort auf der TEFAF verschiedene Kunstwerke zu begutachten, die er für die Ausstellung im Städel gewinnen möchte.

Blumen, wohin man schaut: Die TEFAF 2014.

Blumen, wohin man schaut: Die TEFAF 2014.

Besondere Kunst-Entdeckungen

Die blumenreich geschmückten Gänge der TEFAF, entlang derer sich über 270 Händler-Showrooms aus 19 Ländern erstrecken, füllen sich an diesem Tag sehr schnell: aus aller Welt angereiste Museumsleute, Kunsthändler und interessierte Privatsammler, sie alle sind auf der Suche nach ganz besonderen Kunst-Entdeckungen, diskutieren angeregt untereinander und unterhalten sich mit den ausstellenden Händlern. Die jährlich stattfindende Messe ist der weltweit wichtigste Handelsplatz für alte Kunst und Antiquitäten. Besonders berühmt ist die TEFAF für ihr reiches Angebot an Werken der „Alten Meister“. Und genau diese interessieren auch Städel-Kustos Bastian Eclercy.

Städel-Kustos Bastian Eclercy nimmt im Ausstellungsraum der Galerie Stephen Ongpin Fine Art aus London die zeichnerische Studie eines männlichen Akts von Jacopo Pontormo als mögliche Leihgabe für seine Ausstellung in Augenschein.

Städel-Kustos Bastian Eclercy nimmt im Ausstellungsraum der Galerie Stephen Ongpin Fine Art aus London die zeichnerische Studie eines männlichen Akts von Jacopo Pontormo als mögliche Leihgabe für seine Ausstellung in Augenschein.

Werke unter der Lupe

Sein von hellgrauem, weißgemustertem Teppichboden gepflasterter Weg führt ihn unter anderem zu einer Londoner Galerie. Hier will er endlich eine von Abbildungen her sehr vielversprechende zeichnerische Studie eines männlichen Akts von Jacopo Pontormo (1494–1556) im Original untersuchen. „Fantastisch. Viele wären sicher verblüfft, wenn man ihnen sagt, dass diese Zeichnung knapp 500 Jahre alt ist. Pontormo in seiner ‚wilden‘ Zeit kurz nach 1520 eben“, so Bastian Eclercy. Im Gespräch mit dem Händler erfährt er, dass sich ein privater Sammler sehr für das Werk interessiert. Es scheint daher zunächst ungewiss, ob die Zeichnung für die Städel-Ausstellung gewonnen werden kann. Tatsächlich erwirbt kurze Zeit nach unserem TEFAF-Besuch der Sammler das Werk. Ein großer Glücksfall: Er kommt aus Deutschland und ist dem Städel Museum sehr verbunden, daher leiht er das Werk für die Ausstellung 2016.

Jacopo Pontormo (1494–1556), Studie eines männlichen Akts, um 1520/25; Foto: Stephen Ongpin.

Jacopo Pontormo (1494–1556), Studie eines männlichen Akts, um 1520/25; Foto: Stephen Ongpin.

Im Anschluss an diese Besichtigung nimmt Bastian Eclercy – im wahrsten Sinne des Wortes – noch weitere Werke unter die Lupe. Auf dem Weg von einem Händler zum anderen bietet sich an diesem Tag, an dem man so viele spektakuläre Werke und Raritäten aus aller Welt an einem Ort versammelt findet, auch eine ideale Gelegenheit, den Blick nach möglichen Neuerwerbungen für die Städelsche Sammlung schweifen zu lassen. Am Ende des Tages steht die Rückreise nach Frankfurt an. Im Gepäck: Sehr viele Eindrücke, interessante Neuentdeckungen und vielversprechende Aussichten.

Kommt nach Frankfurt in die Städel-Ausstellung: Agnolo Bronzino (1503–1572), Heiliger Sebastian, um 1533, Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid

Eine bereits zugesicherte Leihgabe für die Ausstellung: Jacopo Pontormo (1494–1556), Bildnis eines Lautenspielers, um 1528-30, Privatbesitz; Courtesy Eckart Lingenauber, Monaco

Seit der Rückkehr aus Maastricht konnten noch zahlreiche weitere Werke für die große Manierismus-Ausstellung im Städel gewonnen werden. So wird beispielsweise dem Städelschen „Bildnis einer Dame in Rot“ (um 1530) von Agnolo Bronzino (1503–1572), dem Meisterschüler von Pontormo, in der Schau Bronzinos stilistisch eng verwandter „Heiliger Sebastian“ (um 1533) aus dem Museo Thyssen-Bornemisza in Madrid gegenübergestellt. Jacopo Pontormo ist als zentrale Figur des Florentiner Manierismus in der Ausstellung besonders prominent vertreten, etwa mit dem „Bildnis eines Lautenspielers“ (um 1528–30), entliehen aus Privatbesitz. Daneben wird als besonderes Highlight unter anderem auch das handschriftliche Tagebuch von Pontormo aus der Florentiner Nationalbibliothek zu sehen sein, in dem er von 1554 bis 1556 in täglichen Notizen über sein Leben und seine Arbeit  berichtet und das er mit vielen kleinen Zeichnungen versehen hat.

Kommt nach Frankfurt in die Städel-Ausstellung: Agnolo Bronzino (1503–1572), Heiliger Sebastian, um 1533, Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid

Kommt nach Frankfurt in die Städel-Ausstellung: Agnolo Bronzino (1503–1572), Heiliger Sebastian, um 1533, Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid

Insgesamt konnten bisher bereits circa 60 Leihgaben von rund 35 verschiedenen, internationalen Institutionen für die Ausstellung zusammengetragen werden. Auf dem Weg hierhin war der Besuch der TEFAF eine Station von vielen, aber eine sehr erfolgreiche, denn hier ließ sich unter anderem eine einzigartige Zeichnung aus Privatbesitz sichern, die nun für den Zeitraum der Ausstellung einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt werden kann.