Das Gemälde auf einer Atelierstaffelei in der Werkstatt für Gemälderestaurierung

Die Maßnahmen zur materiellen Bestandserhaltung machen einen Großteil der Arbeit der Gemälderestaurierung aus. Für gewöhnlich verändern sie die ästhetische  Wirkung  eines Gemäldes nicht, sodass sie den meisten Besuchern verborgen bleiben. Dennoch sind sie äußerst wichtig für die eigentliche Erhaltung des Kunstwerkes, welches im Laufe der Jahrhunderte einer starken Veränderung unterliegt. Im Fall des Werkes „Zwei Mädchen“ des berühmten deutschen Malers August Macke (1887–1914) stellte die Maltechnik, aber auch die vom Künstler verwendeten Materialien uns Restauratoren vor eine besondere Herausforderung.

Matte Malerei?

Mackes Gemälde ist auf einem textilen Bildträger gemalt, welcher auf einen hölzernen Keilrahmen aufgespannt und mit einer dünnen Grundierung versehen ist. Diesen vorbereiteten Bildträger kaufte er bereits fertig im Handel. Als zentrales Motiv legte er zunächst die beiden Mädchen, vermutlich in Öl, farbig an und begann darum herum in mehreren Schichten den komplexen Hintergrund aufzubauen. Dabei überarbeitete er einzelne Bereiche immer wieder, wodurch die Verschachtelung und Vielschichtigkeit der jetzigen Komposition entstand. Sobald man das Gemälde näher in Augenschein nimmt, fällt auf, dass es eine sehr gleichmäßige, matte Oberfläche hat. Ursache dieses Phänomens ist ein entstehungszeitlich aufgetragener, wachshaltiger Überzug. Sollte er von Macke stammen, dann handelt es sich um eine echte Besonderheit! Während andere Vertreter der Klassischen Moderne, wie Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), ihre Malfarben durch Zusätze manipulierten, um einen matten Eindruck herzustellen, sind originale, matte Überzüge bisher wenig dokumentiert und erforscht.

Auftragsspuren des matten Überzugs im Reflexlicht

Fragile Malschicht

Vor der Konservierung war das Gemälde in einem äußerst fragilen Zustand: Viele Malschichtbereiche hatten sich vom Untergrund gelöst und standen, in sogenannten Schüsseln, auf. In diesen Bereichen entstand durch die Bewegung des Bildträgers zuerst ein Craquelée in der spröden Malschicht. Anschließend verloren verschiedene aufeinander liegende Farbschichten die Haftung. Einige Farbschollen brachen dabei sogar vollständig aus und lagen auf dem Innenfalz des Rahmens. Glücklicherweise war das Gemälde verglast, sodass die Schollen nicht verloren gegangen sind und wie kleine Puzzleteile wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückgeführt werden konnten.

Die Konservierungsmaßnahmen

Häufig werden solche Schäden in zwei Schritten behandelt: Zunächst wird ein Klebemittel unter die aufstehenden Schollen gegeben und dann wird versucht diese niederzulegen. In unserem Fall war der Einsatz von Wärme aus einem kleinen „Warmluftfön“ nötig, um die spröde Malschicht soweit zu flexibilisieren, bis sie sich mit einem Silikonspitzenstift herunterdrücken ließ. Dieser Prozess verkomplizierte sich jedoch durch den wachshaltigen Überzug, welcher aufgrund der Wärme des Föns ebenfalls erweichte und in einer großen Glanzstelle sichtbar blieb. Ein Effekt, der so sicher nicht vom Künstler gewollt war. Deshalb musste der Überzug in einem dritten Schritt partiell leicht gebürstet werden, um eine raue Oberfläche zu schaffen. Nun wird das Licht in verschiedene Richtungen gestreut und das Werk erscheint bei der Betrachtung wieder gleichmäßig matt.

Warmluftfön und Silikonspitzenstift

Fragiler Bereich vor und nach der Konservierung

Fragiler Bereich vor und nach der Konservierung

Um das Gemälde für die Zukunft zu sichern, mussten die Schwingungen des schlaffen Bildträgers vermindert werden. Ein Auskeilen des Keilrahmens würde dabei für eine verbesserte Gewebespannung sorgen. Auch das stellte sich bei unserem Gemälde als kompliziert heraus, da sich kleine Risse in der Leinwand befanden, die durch das Auskeilen weiter einreißen könnten. Die entsprechenden Bereiche mussten daher zunächst mit einer Einzelfadenverklebung geschlossen werden.  Dabei werden die Rissenden Faden für Faden unter dem Mikroskop, unter Berücksichtigung der Webart des Textils, wieder zusammengeführt und verklebt. Waren einzelne Bereiche völlig ausgerissen, wurden sie mit kleinen Fadenstücken ergänzt.

Rissbereich entlang der Spannkante vor und nach der Einzelfadenverklebung

Rissbereich entlang der Spannkante vor und nach der Einzelfadenverklebung

Trotzdem fragil

Abschließend wurde ein Rückseitenschutz angebracht, welcher das Gewebe von hinten durch ein dünnes Luftkissen stabilisiert, um so das Schwingen der Leinwand bei Bewegungen des Gemäldes zu verringern. Dennoch bleiben Mackes „Zwei Mädchen“, auch nach der Konservierung, äußerst fragil und werden in Zukunft weiterhin von uns aufmerksam beobachtet.