Ein Blick in die Werkstatt
Wie werden Kunstwerke aus Papier erhalten und gepflegt?
Das Team der Restaurierungswerkstatt der Graphischen Sammlung hütet seine Werke wie den eigenen Augapfel. Sie sorgen dafür, dass die empfindlichen Schätze aus Papier nicht durch äußere Einflüsse wie Feuchtigkeit oder Licht leiden. Dafür prüfen die Mitarbeiter regelmäßig den Zustand der Grafiken. So wurde bei der Papierarbeit „Selbstbildnis“ (1908) von Carl Larsson eine starke Beanspruchung festgestellt. Wir zeigen Euch, wie die Radierung gereinigt und behandelt wird.
Laura Geissler | 24.03.2014
Kunst im Durchlicht
Um die Beschaffenheit des Werks des schwedischen Künstlers Carl Larsson (1853–1919) im Detail zu erfassen, wird es zunächst gesichtet und mit verschiedenen „Lichtarten“, dem Auf-, Streif- und Durchlicht, beleuchtet. Das Selbstporträt ist stark verbräunt, sodass für die Mitarbeiterinnen aus der Werkstatt klar ist: Das muss behandelt werden!

Das Durchlicht: eine von verschiedenen Lichtarten, mit denen die Beschaffenheit des Werks erfasst wird.
Die braune Verfärbung auf Larssons Selbstbildnis wurde vermutlich durch das Zusammenspiel von ligninhaltigen Materialien, die in pflanzlichen Geweben vorkommen können, und Lichteinwirkung verursacht. Mit einer aufwendigen Nassreinigung wollen die Mitarbeiterinnen aus der Grafikrestaurierung die Verbräunung reduzieren. Das Team um Ruth Schmutzler, Leiterin der Grafikrestaurierung, achtet bei den Behandlungen darauf, das ursprüngliche Kunstwerk mit seiner künstlerischen und materialeigenen Wirkung zu erhalten. Schließlich gehören die Gebrauchsspuren, die eine Arbeit aufweist, zur Geschichte des Werks. Die Maßnahmen haben also zum Ziel das Schadensbild, aber auch die Restaurierung in den Hintergrund treten zu lassen.
Das Reinigungsverfahren – von trocken bis nass
Zu Beginn erfolgt die Trockenreinigung des Papiers, hier wird oberflächlicher Schmutz und Staub mit einem Naturkautschuk-Schwamm abgenommen. Manchmal kommen auch Radiergummis zum Einsatz.
Nun wird das Papier angefeuchtet: auf ein feuchtes, langfaseriges Frotteetuch wird ein nach einer Seite dampfdurchlässiges Goretex-Gewebe sowie ein Polyester-Vlies gelegt und die Radierung darin eingeschlagen. So bleibt es einige Stunde gut eingeschlagen, in denen Feuchtigkeit in das Papier einzieht.
Das Vorfeuchten ist wichtig, damit die Papierfasern aufgehen und sich das Papier gleichmäßig und langsam dehnt. Wenn unmittelbar nass gereinigt werden würde, könnte sich das Papier je nach Sorte wellen – und dieses Risiko will das Team nicht eingehen. Für die dann folgende Nassreinigung wird eine Wanne mit Wasser befüllt. Anschließend werden Kunststoffscheiben in flachem Winkel in die Wanne gelehnt, die so eine Schräge erzeugen. Darauf wird ein durchnässtes Vlies platziert, welches das Wasser – etwa wie bei einem Schwamm – gleichmäßig über die ansteigende Ebene transportiert, so dass es am Ende des überhängenden Vlieses abtropfen kann.
Auf diese Vorrichtung wird nun die vorgefeuchtete Radierung gelegt. Mit einem breiten, sehr weichen Pinsel – einer Spezialanfertigung aus Japan – werden vorsichtig Luftblasen ausgedrückt, die zwischen Papier und Vlies entstehen und die gleichmäßige Wanderung des Wassers behindern könnten.
Nach mehreren Stunden ist das Ergebnis sichtbar: Das Papier hat einen Teil seiner braunen Verfärbung über das Vlies ans Wasser abgegeben. Nach einer ersten Trockenphase wird es in noch gleichmäßig feuchtem Zustand zwischen sauberen Wollfilzen leicht beschwert, um zu vermeiden, dass sich das Papier verformt, wie das beim freien Trocknen an der Luft passieren würde.
Auf das Reinigungsverfahren folgt die Bleichung
Die verbliebene Bräune könnte den Betrachter jedoch nach wie vor stören. Um die noch verbleibenden Rückstände der Verfärbung im Papier zu entfernen, wird das Werk schließlich gebleicht. Die Bleichung wird mit Chlordioxid durchgeführt, eine chemische Substanz, die das Papier schonend behandelt. Dazu werden wiederum in eine Wanne nun Chlordioxid und Natriumchlorit gefüllt, die sich in einem chemischen Prozess zu Chlordioxid verbinden. Anschließend wird die Papierarbeit in die Wanne gelegt. Das chemische Verfahren findet zum Schutz unter einem Luftabzug statt, die Mitarbeiterinnen tragen Handschuhe.
Nach der Bleichung wird die Papierarbeit in einem Wechselbad gereinigt, um das verbliebene Bleichmittel auszuwaschen. Dem Abwasser, das im Reinigungsprozess entsteht, wird Natriumthiosulfat hinzugefügt, um es zu neutralisieren. So kann es entsorgt werden, ohne der Umwelt zu schaden. Schließlich wird das „Selbstbildnis“ getrocknet und ist dann bereit, in einer Ausstellung gezeigt zu werden.
Die Autorin Laura Geissler arbeitet in der Abteilung Content Management des Städel Museums. Sie ist fasziniert von den Tätigkeiten, mit denen sich die Kollegen in der Grafikrestaurierung jeden Tag beschäftigen und freut sich, zahlreiche sorgsam gepflegte und restaurierte Werke in der aktuellen Ausstellung Vis-à-vis. Bildnisse in der Graphischen Sammlung sehen zu können.
Die Graphische Sammlung des Städel Museums beherbergt rund 100.000 Handzeichnungen, Aquarelle, Pastelle und Druckgrafiken aus der Zeit vom 15. bis ins 21. Jahrhundert.
Kommentare (3)
Der chemische Prozess, der zur Bildung des Bleichmittels führt ist falsch beschrieben: Chlordioxid disproportioniert in Wasser(Salzlösung) in Chlorite und Chlorate. Chlorite wirken stark oxydierend. Oder benutzen Sie die stark oxidierend wirkene Hypochlorige Säure, die aus Dichloroxid und Wasser entsteht?
Liebe Marianne Blumbach,
vielen Dank für Ihre interessierte Email. Wir verwenden die Chlordioxid Bleiche nicht als Gasbleiche, sondern in wässriger Form als Bad. Natriumchlorit (NaClO2) wird in Wasser gelöst, mit Formaldehyd (CH2O) versetzt und in einen leicht sauren pH-Bereich geführt, bei uns mit HCl. So wird das Chlordioxidgas im Wasser freigesetzt. Es entsteht weder Chlor noch Hypochlorit, deshalb ist dies Verfahren so schonend für die Zellulose. Es wird unter sehr strengen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt, ganz wichtig ist ein starker Chemikalienabzug.
Dieses Bleichverfahren wurde 1951 zum ersten Mal von Rutherford J. Gettens für die Restauratoren veröffentlicht und ist besonders schonend als Bleiche für die Zellulosefaser. (Literatur: Rutherford J. Gettens, The Bleaching of Stained and Discoloured Pictures on Paper with Sodium Chlorite and Chlorine Dioxide; Museum, 1952).
Mit herzlichem Gruß aus dem Städel
Ruth Schmutzler, Leiterin der Grafikrestaurierung am Städel Museum
Danke für diese Beschreibung! Über dieses Thema findet man so wenig, schön das sie sich die Mühe gemacht haben!