blog_encryption_3

„The Encryption Garden“ in der Entstehung: die Künstler Bernhard Schreiner und Alan B. Brock-Richmond im Städel Garten (v.l.n.r.). Foto: Wolfgang Günzel

Was bedeutet eigentlich der Titel „Encryption Garden“?

Bernhard: „Encryption“ kann man mit „Chiffrierung“ oder „Verschlüsselung“ übersetzen: der verschlüsselte oder codierte Garten also. Es gibt verschiedene (akustische) Ebenen, die diesen Vorgang anstoßen.
Die Field Recordings, die wir im Sinne der Musique concrète als kompositorisches Mittel einsetzen, erfüllen zugleich die Funktion einer Chiffriermaschine. Wir haben diese Aufnahmen zu neunzig Prozent über einen Zeitraum von mehreren Monaten im Städelgarten aufgenommen und spielen sie nun zurück in den Garten – eine Art Konfrontation des Gartens mit Klängen seiner eigenen Vergangenheit, die Verwirrung stiftet und das aktuelle akustische Geschehen im Garten verschleiert, beeinflusst, überlagert.
Dazu haben wir einige wenige Aufnahmen aus anderen Environments quasi „eingeschmuggelt“, Zikaden aus Kroatien, nächtliche Insektengeräusche aus Usedom und so weiter. Laute, die in diesem Habitat eigentlich nicht vorkommen. Und es gibt die Ebene unserer live improvisierten instrumentalen Klangproduktion, die sich im Idealfall noch so einbaut, dass es zu weiteren Verwechslungen und Vermengungen kommen kann, was die akustische „Normalsituation“ im Garten angeht.

blog_encryption_4

Arbeitsmaterialien: Effektpedale, ein Computer, ein modulares analoges Synthesizer-System, eine Snare Drum, und und und. Foto: Wolfgang Günzel

Könnt Ihr das Equipment aufzählen, das Ihr für Eure Konzerte und die Installation verwendet?

Alan und Bernhard: Die Installation setzt sich aus vier Soundsystemen mit jeweils einem Subwoofer und einem Top pro Kanal zusammen, also ein Vier-Kanal-System. Gespeist wird es von vier Loop-Pedalen, und vier DVD-Playern, die über einen Mixer kombiniert und auf die vier Systeme verteilt werden – und dazu natürlich sehr viele Meter Audio-Kabel.
Für die Konzerte, die die Installation mit Klangmaterial versorgen und über die erwähnten Loop-Pedale mit jedem Konzert erweitern und verdichten, benutzen wir sehr viel Equipment und sehr unterschiedliche Setups. Das würde jetzt vielleicht zu weit führen, alles aufzuzählen. Unterschiedliche Gitarren, unter anderem auch Lapsteel Gitarren, kommen zum Einsatz, verschiedene Gitarrenverstärker und Mikrofone, jede Menge Effektpedale, ein Computer, ein modulares analoges Synthesizer-System, eine Snare Drum und noch anderes.
Wir werden für jedes Konzert eine unterschiedliche Instrumentierung wählen und dementsprechend mit unterschiedlichem Equipment zu tun haben.

Wie kann man sich bei Euch eine Komposition vorstellen? Wie entsteht der Sound?

Alan: For the sake of this work, the notion of composition is somewhat different to that of the typical compositional notion in what we find in traditional music. The base of this work begins with a foundation of field recordings, four independent channels consisting of hours of sounds of the location, from lawn mowers and traffic, to rain storms, children playing, material sounds of local objects, and so forth. The independent channels of this looping soundscape create a woven complexity of dimension within the space and the sound field, which is in constant change through its self-mixing process. From this foundation, with each concert and through varied instrumentation, we improvise in momentary response to these various sounds, and the spaces between them, referring to their meter, tonality, and other components, in effort to concentrate, contrast, and coincide with the character and sonic textures of what becomes a constantly evolving blend, auto-influenced and self-referenced.

blog_encryption_2

Wie entsteht der Sound? Alan B. Brock-Richmond im Städel Garten. Foto: Wolfgang Günzel

Bernhard: Unser Verständnis von „Komposition“ orientiert sich allerdings durchaus auch an historischen Konzepten, zum Beispiel dem der Musique concrète, die ein Arbeiten mit zuvor aufgenommenen Klängen propagiert. Der französische Komponist und Schriftsteller Pierre Schaeffer schrieb dazu bereits 1949, in Abgrenzung zu traditionellen Kompositionsmethoden: „Die beiden musikalischen Haltungen, die abstrakte und die konkrete, lassen sich in exaktem Vergleich einander gegenüberstellen. Wir wenden das Wort ´abstrakt´ auf die Musik im gewohnten Sinne an, weil sie zuerst eine geistige Schöpfung ist, dann theoretisch notiert wird und schließlich in einer instrumentalen Aufführung ihre praktische Realisierung erfährt. Unsere Musik haben wir ´konkret´ genannt, weil sie auf vorher bestehenden, entlehnten Elementen einerlei welchen Materials, seien es Geräusche oder musikalische Klänge, fußt und dann experimentell zusammengesetzt wird aufgrund einer unmittelbaren, nicht-theoretischen Konstruktion, die darauf abzielt, ein kompositorisches Vorhaben ohne Zuhilfenahme der gewohnten Notation, die unmöglich geworden ist, zu realisieren.“
Auch unterschiedliche Arbeitsweisen von John Cage haben uns beeindruckt, vor allem das Einbeziehen des Zufalls und selbstorganisierender Systeme in viele seiner Kompositionen. Die „Freie Improvisation“ die sich spätestens in den 1960er Jahren vom Free Jazz verabschiedet und eigene Wege beschritten hat – zum Beispiel durch Bands wie AMM – oder die Arbeitsweisen einiger Komponisten, die mit drone-basierter Musik arbeiten wie La Monte Young oder Phill Niblock, sind ebenso wichtig für uns. Nicht zuletzt möchte ich Max Neuhaus nennen, der das Arbeiten mit Klang aus dem Musikbetrieb in den Kontext der bildenden Kunst verlagert, und in diesem Punkt bestimmt Pionierarbeit geleistet hat; und mit Russell Haswell und Carl Michael von Hausswolff habe ich Menschen, Arbeitsweisen und Werke kennengelernt, die in meiner persönlichen Arbeit, aber auch in der Zusammenarbeit mit Alan, sicher ihre Spuren hinterlassen haben.

blog_encryption_1

Kostenfrei im Städel Garten: Weitere Konzerte finden noch bis zum 31. August 2014 statt. Foto: Wolfgang Günzel

Habt Ihr ein „favorite unrealized project“?

Alan: No real “Unbuilt Roads” so far but The Encryption Garden concept, our largest endeavor to date, was something that we developed together for over six months, both seeking and awaiting the appropriate format to best serve the work. The degree of complexity and scale afforded by the environs of the Städel Garden is a very suitable location for facilitating this work.

Bernhard: Ein gemeinsames Vorhaben für die Zukunft ist schlicht, weiter zusammenzuarbeiten mit Klang, Installation und freier improvisierter Musik und etwas aus dem mittlerweile recht umfangreichem Katalog an Studio- und Live-Aufnahmen auf LP, MC usw., jedenfalls auch jenseits der gängigen Online-Portale, veröffentlichen zu können. Aber da sind wir dran…