Abb.1 Bevor das Werk in die Restaurierungswerkstatt gebracht wird, begutachtet Restauratorin Annette Fritsch detailliert den Zustand der Leinwand und der Malschicht.

Im Vorfeld der großen Sonderausstellung „Schwarze Romantik. Von Goya bis Max Ernst“ wurde auch Victor Müllers Werk „Hero und Leander“ (1863) aus dem Gemäldedepot des Städel in die Restaurierungswerkstatt gebracht. Hier hat die Gemälderestauratorin Annette Fritsch einige restauratorische sowie konservatorische Maßnahmen an dem großflächigen Werk des deutschen Malers vorgenommen. Restauratorische Maßnahmen betreffen die Optik und die Ästhetik wie zum Beispiel die Rekonstruktion fehlender oder geschädigter Bereiche während konservatorische Maßnahmen primär der Bewahrung des Status quo und einer nachhaltigen Substanzerhaltung dienen. Bei der Wahl der Methode und der Materialien für die Konservierung und Restaurierung muss darauf geachtet werden, dass diese das Kunstwerk nicht schädigen und sich gegebenenfalls leicht und rückstandslos wieder entfernen lassen.

Abb. 2 An der Rückseite sieht man den Unterschied vor (links) und nach (rechts) der Reinigung der Leinwandrückseite besonders gut.

An dem großflächigen und rund 150 Jahre alten Werk gab es aus unterschiedlichen Gründen viel zu tun. Zum einen musste die gesamte Bildträgerrückseite von Staub, der sich im Laufe von Jahrzehnten unweigerlich festsetzt, befreit werden. Lose aufliegende Schmutz- und Staubpartikel wurden vorsichtig abgesaugt. Um die mechanische Belastung an der sehr dicken und steifen Bildschicht möglichst gering zu halten, kam hierfür ein eigens entwickeltes Absauggerät mit einer Feinregulierung zum Einsatz.

Abb. 3 Zustand vor der Retusche / Abb. 4 Zustand nach abgeschlossener Retusche

Der Fachterminus Inkarnat stammt ursprünglich aus der Fassmalerei und wurde für die Malerei adaptiert. Dieser definiert den Farbton, der für die Darstellung nackter, menschlicher Körperpartien verwendet wird. Für eine möglichst naturgetreue Darstellung der menschlichen Epidermis bedurfte es mehrerer übereinanderliegender Malschichten. Um dieser die nötige Lebendigkeit zu verleihen wurde die letzte Farbschicht oftmals sehr dünn und mit einem hohen Bindemittelanteil aufgetragen, um die gewünschte Transparenz zu erreichen, so auch bei dem Werk „Hero und Leander“ von Victor Müller. In der Kunsttechnologie wird diese abschließende Farbschicht oftmals als Lasur bezeichnet. Im Rahmen einer früheren, nicht hier am Haus durchgeführten Restaurierung kamen vermutlich bei dem Versuch, den Firnis abzunehmen Lösemittel zum Einsatz, die nicht nur den Firnis, sondern auch darunter liegende Lasuren partiell lösten. Dies hatte zur Folge, dass die etwas hellere, darunterliegende Farbschicht nun zum Vorschein kam und dem Inkarnat insgesamt ein heterogenes, nahezu fleckiges Erscheinungsbild verlieh, das sich dadurch stark von anderen Bildbereichen abhob und die Lesbarkeit der Szene beeinträchtigte. Wie die Abbildung 3 auf der linken Seite zeigt, war dies partiell im Bereich des Unterleibs der Figur Leanders der Fall. Im Rahmen einer Retusche wurden besonders geschädigte Bereiche durch gezielt gesetzte Lasuren dem ursprünglichen Zustand angenähert (Abb.4).

Abb. 5 Eine Ecke der Leinwand vor der Konservierung … / Abb. 6 … und nach abgeschlossener Gewebekonsolidierung.

Leinwände per se büßen oftmals mit zunehmenden Alter ihrer ursprünglichen Elastizität ein, sodass diese empfindlicher auf äußere mechanische Einflüsse reagieren, was oftmals Risse sowie Löcher auf der Leinwand hervorrufen kann. Durch das Spannen der Leinwand auf dem Keilrahmen sind gerade die Eckbereiche und die unbemalten Spannkanten größeren mechanischen Belastungen ausgesetzt. Wie die Abbildung 5 zeigt, weist auch der Bildträger des Werkes „Hero und Leander“ dieses Phänomen auf. Hinzu kommt eine weitere, partielle Schwächung des Bildträgers durch Korrosion der Eisennägel – hier vor allem im Bereich angrenzender Gewebepartien. Folglich bildeten sich Rostablagerungen in Form von kreisrunden Höfen um die Nagelköpfe, welche schließlich die Leinwand so stark schwächten, dass diese den Zugbelastungen auf dem Keilrahmen nicht ausreichend standhalten konnten und schlussendlich ausfransten. Um einen weiteren Substanzverlust des Gewebes entgegen zu wirken, wurden Risse und Löcher durch konservatorische Maßnahmen stabilisiert, indem man die geborstene Fadenenden unter dem Mikroskop zuerst sortierte und gemäß der Gewebetextur zusammenführte und miteinander verklebte. Einige Partien waren derart beschädigt, sodass diese nur durch eine zusätzliche rückseitig angebrachte Textilunterlage nachhaltig verstärkt werden konnten.

Obwohl mehr oder weniger wellige Bildschichtoberflächen an einigen Gemälden Victor Mülles im Städel zu beobachten sind und daher typisch für seine Maltechnik zu sein scheinen, wurde der Betrachter an der unteren, rechten Bildecke von einer besonders markanten Deformation des Bildträgers, welche vermutlich von einer Neuaufspannung des Gemäldes vor einigen Jahrzehnten stammt,von dem dramatisch-traurigen Bildgeschehen abgelenkt. Wie auch für die Konsolidierung geschwächter Gewebepartien, wurde auch hier die Leinwand partiell für die Planierung von dem Keilrahmen abgespannt und auf einer sogenannten Unterdruckplatte unter Einwirkung kontrollierter Wärmeeinwirkung schrittweise moderat geglättet. Das Gemälde wurde auf einen beheizbaren Niederdrucktisch gelegt, unter dem sich eine Wärmequelle befindet. Die ganz langsam erwärmte Leinwand wurde nun mittels leichtem Ansaugdruck nach unten gezogen. So konnten die Wellen sanft ausgebessert werden.

Gesamtaufnahme (vor der Restaurierung und Konservierung entstanden) / Viktor Müller (1830–1871), Hero und Leander, 1863, Öl auf Leinwand, 158 x 300 cm, Städel Museum, Frankfurt am Main, Erworben als Schenkung von Alfred von Behr, Eigentum des Städelschen Museums-Vereins e.V., © U. Edelmann – Städel Museum – ARTOTHEK